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AutorenbildThomas Laggner

Beziehungsarbeit in Krisenzeiten – Ein Fallbeispiel

Beziehungsarbeit in Krisenzeiten – Ein Fallbeispiel

In Beziehungen stehen wir oft vor Herausforderungen, die uns an unsere emotionalen Grenzen bringen. Vertrauen, Kommunikation und Nähe können in schwierigen Phasen auf die Probe gestellt werden. Die Geschichte von Anna und Lukas verdeutlicht, wie Konflikte eskalieren können und welche Wege es gibt, eine Brücke zwischen den Partnern zu bauen.


Der Fall Anna und Lukas

Anna (34, Grundschullehrerin) und Lukas (28, Krankenpfleger) befinden sich in einer Beziehungskrise. Lukas hat Anna gestanden, bei einer Kollegin einen Kuss initiiert zu haben. Für Anna, die ohnehin mit psychischen Belastungen kämpft, ist dieser Vertrauensbruch ein schwerer Schlag. Die Situation wird durch Kommunikationsprobleme und emotionale Distanz verstärkt. Anna fühlt sich von Lukas allein gelassen, während Lukas sich von Annas Vorwürfen überwältigt fühlt. Beide suchen nach einem Weg, ihre Beziehung zu retten – oder einen klaren Schlussstrich zu ziehen.


Fallanalyse: Was können wir daraus lernen?

1. Die Problemfelder

  1. VertrauensverlustDer Kuss hat Annas bestehende Unsicherheiten verstärkt und tieferliegende Probleme ans Licht gebracht. Lukas’ Verhalten wird von Anna als Geheimnistuerei interpretiert, was ihr Misstrauen nährt.

  2. KommunikationsmusterAnna neigt zu Vorwürfen und sucht nach emotionaler Bestätigung, während Lukas defensiv reagiert und Konflikten ausweicht. Dies führt zu einer Spirale aus Anschuldigungen und Rückzug.

  3. Psychische BelastungenAnna kämpft mit Suizidgedanken und fühlt sich von Lukas nicht unterstützt. Ihre Medikation und die Verantwortung für Haushalt und Hunde verstärken ihre Überforderung.

  4. Emotionale DistanzLukas zieht sich zurück und gibt Anna das Gefühl, abgelehnt zu werden. Gleichzeitig empfindet Lukas Annas Kontrollverhalten als einengend.



2. Ansätze für die Beziehungsarbeit

  1. Krisenmanagement und Stabilisierung

    • Anna benötigt akute Unterstützung, einschließlich eines Kriseninterventionsplans und individueller Therapie.

    • Lukas sollte darin unterstützt werden, seine Verantwortung für den Vertrauensbruch anzuerkennen und transparent zu kommunizieren.

  2. Kommunikation verbessern

    • Einführung von Ich-Botschaften und aktivem Zuhören, um gegenseitiges Verständnis zu fördern.

    • Gemeinsame Reflexion über die Bedürfnisse und Erwartungen beider Partner.

  3. Langfristige Ziele setzen

    • Entwicklung gemeinsamer Werte und Ziele, um eine Basis für Vertrauen und Nähe zu schaffen.

    • Übungen, die das gegenseitige Verständnis fördern, wie z. B. regelmäßige Check-ins.


Reflexionsfragen für Paare

  • Welche Beziehungsmuster belasten eure Partnerschaft, und wie könnt ihr sie durchbrechen?

  • Wie könnt ihr offener über eure Bedürfnisse sprechen, ohne Vorwürfe zu machen?

  • Was bedeutet Vertrauen für euch, und welche Schritte könnt ihr gehen, um es aufzubauen?


Diskussionsfragen für Fachleute

  1. Non-Direktivität vs. Intervention:Wie viel Raum sollten Klienten für ihre Emotionen bekommen, bevor eine klare Struktur eingeführt wird?

  2. Ethik und Grenzen:Wie kann man Suizidgedanken in der Beratung professionell begegnen, ohne den Rahmen der Lebensberatung zu verlassen?

  3. Verantwortung und Machtbalance:Wie können Fachleute beiden Partnern helfen, Verantwortung für ihren Anteil an der Beziehungskrise zu übernehmen?


3.Diagnosen

Die Zuweisung von F- und Z-Diagnosen aus dem ICD-10 für den beschriebenen Fall von Anna und Lukas basiert auf der Analyse der Probleme und Symptome, die in der Fallbeschreibung erwähnt wurden. Hier ist eine mögliche Einschätzung:


F-Diagnosen (Psychische Störungen)

  1. Für Anna:

    • F33.1 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode

      • Symptome wie emotionale Überforderung, Suizidgedanken und die Notwendigkeit von Antidepressiva deuten auf eine mittelgradige depressive Episode hin.

    • F41.0 Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) (falls zutreffend)

      • Falls Anna zusätzlich von Panikattacken oder körperlicher Angstsymptomatik berichtet, könnte dies eine begleitende Diagnose sein.

  2. Für Lukas:

    • F43.22 Anpassungsstörung mit vorwiegender Störung der Emotionen

      • Lukas zeigt emotionale Überforderung und Rückzugstendenzen, die im Zusammenhang mit den Beziehungsproblemen stehen könnten.


Z-Diagnosen (Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen können)

  1. Z63.0 Probleme in der Beziehung zum Ehepartner oder Partner

    • Betrifft beide, da die Beziehungskrise das zentrale Problem ist.

  2. Z63.5 Probleme in Bezug auf die Abwesenheit eines Familienmitglieds

    • Anna fühlt sich emotional allein gelassen, was zu ihren psychischen Belastungen beiträgt.

  3. Z63.8 Sonstige Probleme im Zusammenhang mit der primären Bezugsperson

    • Kann verwendet werden, um spezifisch auf die Dynamik in der Beziehung einzugehen.

  4. Z64.0 Probleme im Zusammenhang mit schwierigen Lebensereignissen

    • Die Belastung durch den Vertrauensbruch und die Beziehungsprobleme kann als schwieriges Lebensereignis kodiert werden.


Hinweise zur Anwendung

  • F-Diagnosen sollten von einem Facharzt für Psychiatrie oder Psychotherapie gestellt werden, basierend auf einer fundierten Diagnostik.

  • Z-Diagnosen eignen sich gut für die Lebensberatung, um die psychosozialen Belastungen zu dokumentieren und in den Beratungskontext einzubetten.

  • Es ist wichtig, Diagnosen nicht vorschnell zu stellen, sondern sie als Teil eines umfassenden Assessments zu betrachten.

Fazit: Gemeinsam wachsen

Die Geschichte von Anna und Lukas zeigt, dass jede Beziehung durch Phasen von Konflikten und Verletzungen gehen kann. Wichtig ist, die Bereitschaft zur Arbeit an sich selbst und der Partnerschaft mitzubringen. Professionelle Unterstützung kann helfen, den Weg zu mehr Verständnis und Nähe zu ebnen – oder klarzumachen, wann es besser ist, getrennte Wege zu gehen.

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