Die forensische Psychiatrie in Österreich befasst sich mit der Untersuchung, Beurteilung und Behandlung von Menschen, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Handlungen psychische Störungen aufweisen. Das Hauptziel der forensischen Psychiatrie ist es, sicherzustellen, dass Personen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung strafrechtlich auffällig werden, adäquate Hilfe und Unterstützung erhalten, um zukünftige Straftaten zu verhindern und die Sicherheit der Gesellschaft zu gewährleisten. Es handelt sich hierbei um eine Schnittstelle zwischen der Psychiatrie und dem Strafrecht, wobei der Fokus sowohl auf der Behandlung der betroffenen Personen als auch auf der Bewertung ihres Zustandes in rechtlichen Prozessen liegt.
Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche der Forensischen Psychiatrie
Die forensische Psychiatrie hat in Österreich mehrere Aufgaben:
Begutachtung der Schuldfähigkeit: Einer der zentralen Aspekte der forensischen Psychiatrie ist die Beurteilung der Schuldfähigkeit von Beschuldigten im Rahmen von Strafprozessen. Psychiater erstellen Gutachten, um festzustellen, ob eine Person zum Zeitpunkt der Straftat eine psychische Erkrankung hatte, die ihre Fähigkeit, das Unrecht der Tat zu erkennen und ihr Verhalten zu steuern, erheblich eingeschränkt oder aufgehoben hat. Diese Beurteilung kann zu einer strafrechtlichen Sonderbehandlung führen.
Behandlung von Untergebrachten: In Österreich können psychisch kranke Straftäter, die als schuldunfähig gelten, gemäß dem Strafgesetzbuch (insbesondere nach §21 StGB) in einer forensisch-psychiatrischen Abteilung untergebracht werden. Die Behandlung erfolgt in speziellen Einrichtungen, die darauf spezialisiert sind, psychiatrische Betreuung und therapeutische Maßnahmen anzubieten. Ziel ist es, die Krankheit zu behandeln, das Risiko zukünftiger Straftaten zu minimieren und eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Gefährlichkeitsprognose: Eine weitere Aufgabe ist die Einschätzung des Gefährdungspotenzials von psychisch kranken Straftätern. Gutachter beurteilen, ob und unter welchen Bedingungen eine betroffene Person aus einer stationären Unterbringung entlassen werden kann. Hierbei kommen standardisierte Risikobewertungen zum Einsatz, die dabei helfen, das Rückfallrisiko abzuschätzen.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Basis der forensischen Psychiatrie in Österreich bildet das Strafgesetzbuch (StGB) sowie das Unterbringungsgesetz (UbG):
§21 StGB: Hier wird geregelt, dass Täter, die aufgrund einer psychischen Störung schuldunfähig sind, anstatt einer Strafhaft in einer forensischen psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden können, sofern sie für die Allgemeinheit eine Gefahr darstellen.
Maßnahmenvollzug: Der Maßnahmenvollzug beschreibt die Unterbringung psychisch gestörter Rechtsbrecher in spezialisierten Einrichtungen. Ziel des Maßnahmenvollzugs ist es, sowohl die Gesellschaft vor gefährlichen Personen zu schützen als auch den Betroffenen eine Behandlung zukommen zu lassen, um eine Besserung ihres Zustands zu erreichen.
Einrichtungen der Forensischen Psychiatrie
In Österreich gibt es spezialisierte Abteilungen für die Unterbringung und Behandlung von psychisch kranken Straftätern. Diese befinden sich in psychiatrischen Krankenhäusern sowie in speziellen Justizanstalten, wie etwa in den Justizanstalten Göllersdorf, Wien-Mittersteig oder Asten, die jeweils spezialisierte Abteilungen für den Maßnahmenvollzug von psychisch auffälligen Straftätern bieten.
Multidisziplinäres Team und Therapieansätze
Die Arbeit in der forensischen Psychiatrie wird von einem multidisziplinären Team aus Psychiatern, Psychologen, Sozialarbeitern, Pflegekräften und Therapeuten ausgeführt. Die Behandlungen umfassen sowohl medikamentöse Therapien zur Behandlung psychischer Erkrankungen als auch psychotherapeutische Interventionen, die darauf abzielen, Einsicht in das eigene Verhalten und Strategien zur Kontrolle von Impulsen zu entwickeln. Auch sozialtherapeutische Maßnahmen sind zentral, um den Patienten zu helfen, sich wieder in ein gesellschaftliches Umfeld zu integrieren.
Herausforderungen und Kritik
Die forensische Psychiatrie steht immer wieder in der öffentlichen Kritik, insbesondere was die Bedingungen im Maßnahmenvollzug betrifft. Kritisiert werden oft die langen Unterbringungszeiten und die teilweise mangelnde Perspektive für die Betroffenen. Auch die Überlastung der Einrichtungen, der Mangel an qualifiziertem Personal und der begrenzte Zugang zu therapeutischen Angeboten stellen Herausforderungen dar, die einer optimalen Behandlung und Betreuung der Betroffenen im Wege stehen können.
Ein weiteres Spannungsfeld besteht zwischen dem Schutz der Allgemeinheit und dem Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung der Patienten. Die Entscheidung, jemanden in eine Einrichtung des Maßnahmenvollzugs zu überstellen, hat weitreichende Konsequenzen für die betroffene Person, und es ist notwendig, sorgfältig abzuwägen, wann eine Entlassung vertretbar ist.
Fazit
Die forensische Psychiatrie in Österreich erfüllt eine wichtige Funktion im Spannungsfeld zwischen Strafrecht und Psychiatrie. Sie leistet einen Beitrag zur Sicherheit der Gesellschaft, indem psychisch kranke Straftäter behandelt werden, und versucht gleichzeitig, den Betroffenen zu einer möglichst stabilen Rückkehr in die Gesellschaft zu verhelfen. Die Arbeit ist jedoch komplex und steht vor vielfältigen Herausforderungen, die es weiterhin zu bewältigen gilt, um die Rechte und Bedürfnisse der Betroffenen bestmöglich zu berücksichtigen und die gesellschaftliche Sicherheit zu gewährleisten.