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AutorenbildThomas Laggner

Die Macht der Kommunikation in der Beratung & Psychotherapie – Ein Weg aus der Angst

Die erste Begegnung zwischen einem Psychotherapeuten und einem Klienten ist eine entscheidende Grundlage für den weiteren therapeutischen Verlauf. Sie schafft nicht nur Vertrauen, sondern gibt auch erste Impulse, die das Verständnis und die Motivation des Klienten stärken. In einem kürzlich durchgeführten Erstgespräch wurde deutlich, wie wichtig es ist, auf effektive Kommunikationsmittel zurückzugreifen, um Klienten mit komplexen psychischen Beschwerden – wie generalisierten Angststörungen und Panikattacken – zu erreichen.


Warum die Wahl der richtigen Kommunikationsmittel zählt

Psychotherapie ist weit mehr als ein Gespräch – sie ist ein Prozess, in dem Gedanken, Gefühle und Verhalten neu ausgerichtet werden. Für Menschen mit Angststörungen ist der Zugang zu neuen Perspektiven jedoch oft blockiert: Angst verzerrt ihre Wahrnehmung und erzeugt einen inneren Fokus auf Bedrohungen. Um diese Barriere zu durchbrechen, benötigen Therapeut:innen Werkzeuge, die sowohl rational als auch emotional ansprechen.


Der Einsatz von Analogien und Metaphern

Ein herausragendes Beispiel ist der gezielte Einsatz von Analogien, wie sie im genannten Erstgespräch verwendet wurden. Vergleiche wie „der Körper als Auto im Notlaufprogramm“ oder „die Zitrone als Gedanken-Simulator“ schaffen eine bildhafte und leicht verständliche Verbindung zwischen komplexen inneren Prozessen und Alltagserfahrungen.


  1. Die Autometapher:

    • Der Therapeut beschreibt den menschlichen Körper als Auto, das durch Stress „auf Vollgas mit angezogener Handbremse“ läuft. Diese Metapher macht deutlich, wie chronische Anspannung zu einem inneren Verschleiß führt, ohne dass der Klient dies zunächst bewusst wahrnimmt.

    • Warum es funktioniert: Menschen können sich leicht mit technischen Problemen identifizieren. Der Vergleich reduziert die Selbststigmatisierung („Es liegt an mir“) und verschiebt die Perspektive: Es geht um „technische“ Lösungen, nicht um persönliche Schuld.


  2. Die Zitronenmetapher:

    • Der Klient wird aufgefordert, sich vorzustellen, in eine Zitrone zu beißen. Sofort spürt er die Wirkung – Speichelfluss, ein saures Gefühl – obwohl die Zitrone nicht real vorhanden ist. Der Therapeut überträgt dies auf die Wirkung negativer Gedanken: Allein das Denken löst körperliche Reaktionen aus.

    • Warum es funktioniert: Der Klient erkennt, dass Gedanken die gleichen Auswirkungen haben wie reale Erlebnisse. Dies legt den Grundstein für kognitive Umstrukturierung und Kontrolle über den eigenen Geist.


Psychoedukation durch digitale Materialien

Moderne Psychotherapie umfasst zunehmend digitale Medien, die die Therapie bereichern und Klienten zur Selbstarbeit motivieren. Hierbei ist es entscheidend, dass Materialien praxisnah und leicht zugänglich sind.



1. Videos zur Veranschaulichung:

Im Erstgespräch wurde ein Lehrvideo zum Lebensflussmodell vorgeschlagen. Dieses erklärt in einfachen Schritten, wie Stress und Emotionen den Körper beeinflussen, und gibt erste Techniken zur Regulation an die Hand.

  • Vorteil: Audiovisuelle Inhalte wirken oft stärker als rein verbale Erklärungen. Sie sprechen nicht nur den Verstand, sondern auch die Emotionen des Klienten an.

  • Integration: Der Klient kann das Video in Ruhe zu Hause ansehen und reflektieren. Der Therapeut greift in Folgesitzungen darauf zurück, um Fortschritte zu besprechen.


2. Fachliteratur und Leitlinien:

Eine PDF-Datei mit wissenschaftlich fundierten Informationen zur generalisierten Angststörung (GAS) wurde bereitgestellt, insbesondere ab Seite 193. Diese Materialien sind ideal, um:

  • Das Selbstbewusstsein des Klienten zu stärken („Ich verstehe, was mit mir geschieht“).

  • Einen faktenbasierten Kontrast zu angsteinflößenden Annahmen zu schaffen („Ich bin nicht alleine, und es gibt Lösungen“).


3. WhatsApp und E-Mail als Kommunikationsbrücken:

Der Austausch per WhatsApp und E-Mail schafft eine direkte Verbindung zwischen Therapeut und Klient:

  • Effizienz: Der Therapeut kann relevante Materialien schnell teilen.

  • Flexibilität: Klienten können in ihrem eigenen Tempo auf die Informationen zugreifen.

  • Niedrigschwelligkeit: Der digitale Kanal senkt die Hemmschwelle, Fragen zu stellen oder Unterstützung einzufordern.


Lernen durch Handlung: Übungen und Hausaufgaben

Die Integration von Übungen in den Alltag des Klienten ist ein zentraler Bestandteil der Therapie. Hier einige Beispiele aus dem Gespräch:

  1. Übung: Lächeln gegen Angst

    • Der Klient soll bewusst 60 Sekunden lächeln, selbst wenn er sich nicht danach fühlt. Dies aktiviert Muskeln und sendet Signale an das Gehirn, dass „alles in Ordnung“ ist.

    • Wirkung: Physiologische Prozesse werden positiv beeinflusst, die Angstreaktion wird unterbrochen.

  2. Übung: Visuelles Scannen

    • Der Klient wird angewiesen, die Augen langsam in verschiedene Richtungen zu bewegen und dabei den Kopf stabil zu halten.

    • Ziel: Die Bildung neuer neuronaler Verknüpfungen, die das Stressgedächtnis überschreiben.

  3. Mentaltraining: Positive Visionen

    • Der Klient soll sich vorstellen, wie er in seiner Kraft wieder aktiv am Leben teilnimmt (z. B. Autofahren, Kunden besuchen). Diese Visionen werden mit dem „Störenfried“ der negativen Gedanken verglichen und bewusst „übersteuert“.


Fazit

Effektive Kommunikation ist der Schlüssel, um Klienten mit psychischen Erkrankungen zu erreichen und sie auf ihrem Weg zur Genesung zu begleiten. Metaphern, digitale Ressourcen und praktische Übungen sind starke Werkzeuge, die nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch Eigenverantwortung fördern und Hoffnung geben.

Die Kombination aus Gesprächen, Medien und Übungen ist kein starrer Plan, sondern ein flexibles Konzept, das auf die Bedürfnisse jedes Klienten zugeschnitten wird. Am Ende steht das Ziel: Wieder Vertrauen in den eigenen Körper und die eigenen Gedanken zu finden – und zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu gelangen.

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