Einfühlsame Reise einer Frau durch Körper und Seele
- Thomas Laggner
- 3. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Wenn der Körper ruft – Heilung zwischen Gebärmutter, Geborgenheit und Gebet
Eine Frau berichtet in einem therapeutischen Setting eindrucksvoll von der tiefen Verbindung zu ihrem Körper, insbesondere ihrer Gebärmutter – einem Ort des Lebens, der Erinnerung, der Lust und der Verletzung. Ausgelöst durch eine medizinische Untersuchung beginnt sie, über Schmerzen, Ängste und Verlust zu sprechen. Und über das, was bleibt: eine zutiefst lebendige Beziehung zu sich selbst, getragen von Körpererinnerung, Naturerleben und spiritueller Orientierung.
Diese Fallvignette eignet sich hervorragend für den Einsatz in der psychotherapeutischen Ausbildung – etwa zur Schulung in Mikroanalyse, Interventionstheorie und somatischer Prozessarbeit.

Mikrodialog 1: Die Entscheidung war richtig – aber war sie frei?
Klientin: „Ich bin ja da nicht gegangen, weil ich weggestoßen bin. [...] Ich habe keine bessere Wahl gehabt. [...] Dann war es keine Wahl.“
Analyse:
Die Klientin reflektiert über eine ambivalente Entscheidung – zwischen selbstbestimmtem Gehen und innerem Revierverlust. Sie erkennt den erzwungenen Charakter der Wahl, was ein klassisches Motiv bei Anpassungsreaktionen und depressiver Verarbeitung ist.
Therapeutische Intervention:
→ Validierung der inneren Ambivalenz.→ Einführung des Konzepts „freiwilliger Abschied mit innerem Verlust“.→ Narrative Reframing-Technik, um Entscheidungsfähigkeit trotz Druck zu würdigen.
Mikrodialog 2: Wo war Geborgenheit?
Klientin: „Ich habe keine unangenehmen Gefühle mit dem Wegziehen von der Oma gehabt. Aber ich habe unangenehme Gefühle in der neuen Wohnung gehabt. [...] Da sind meine Ängste größer geworden.“
Analyse:
Hier zeigt sich eine klassische Bindungserinnerung mit einem Bruch im Sicherheitserleben – eine Verschiebung von äußerer Stabilität (Haus, Bezugsperson) zu innerer Angst. Der Zusammenhang von Wohnortwechsel und Angstentwicklung lässt sich entwicklungspsychologisch tief verankern.
Therapeutische Intervention:
→ Aktivierung von Körpererinnerungen (z. B. „Wo spüren Sie heute dieses Damals?“)→ Arbeit mit dem inneren Kind (Rückbindung an die Geborgenheit bei der Großmutter)→ Vorschlag eines symbolischen Ortes in der neuen Wohnung (Altarfunktion)
Mikrodialog 3: Gebärmutter – Schmerz und Heiligkeit
Klientin: „Das ist so ein heiliger Teil in meinem Körper [...] Ich habe einfach so wunderschöne Empfindungen in meiner Gebärmutter.“
Analyse:
Hier wird das Organ als psychosomatischer Resonanzraum sichtbar. Die Gebärmutter symbolisiert nicht nur Biologie, sondern ist Trägerin von Lust, Verlust, Leben und Tod. Es handelt sich um ein emotional hochbesetztes Körperschema – integrativ, nicht fragmentiert.
Therapeutische Intervention:
→ Integration des Körpers als Ressource (Focusing, Somatic Experiencing)→ Symbolische Dialogarbeit mit Organen („Was würde deine Gebärmutter sagen?“)→ Reframing des Krankheitsprozesses als Transformation statt Bedrohung
Mikrodialog 4: Vaterverwirrung und innere Ordnung
Klientin: „Plötzlich ist der Vati nicht mehr die Hauptvater-Person [...] Und auf einmal ist so in meinem inneren Bild eher so ein Schritt auf Seiten.“
Analyse:
Systemische Verstrickung: Der Ziehvater wird innerlich ersetzt oder überlagert den leiblichen Vater. Die Auflösung der „Vaterverwirrung“ ist ein wesentlicher Schritt in der Ich-Organisation und Abgrenzung der Herkunftsidentität.
Therapeutische Intervention:
→ Systemisches Stellen im Raum oder auf dem Papier („Wer steht wo?“)→ Arbeit mit „inneren Landkarten“ und Neuordnung familiärer Bilder→ Klärung von Loyalitätskonflikten und verdeckten Bindungen
Therapeutisches Fazit für Ausbildung und Selbsterfahrung
Dieses Gespräch illustriert eindrücklich die Verknüpfung von Körperpsychotherapie, Bindungstheorie, systemischer Arbeit und Spiritualität. Die Klientin bewegt sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Schmerz und Ressource, Wissenschaft und innerer Weisheit. Ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion, zur Körperanbindung und zur emotionalen Offenheit macht sie zu einer idealen Fallbeispielgeberin für Lehrzwecke.
Empfehlung für Ausbildungsgruppen
Einsatz des Transkripts in Lehrsupervisionen zum Thema „Körper als Speicher von Trauma und Heilung“
Rollenspiele zu einzelnen Mikrodialogen (z. B. Gebärmutter-Dialog, Vater-Stellung)
Erarbeitung von Diagnostikfragen zu Revierverlust, Bindung und psychosomatischer Reaktion
Reflexion: Was bedeutet „Heilung“ im tiefenpsychologischen Sinne?