Julia: Wahnsinn! Immer das gleiche Spiel. Wie geht es dir gerade?
Lukas: Mir ist es jetzt wirklich gut gegangen. Das Klopfen und die Methoden, die wir besprochen haben, helfen mir immer noch sehr.
Julia: Das freut mich zu hören. Gab es auch Tage, die schwieriger waren?
Lukas: Ja, letzte Woche gab es ein paar unruhigere Tage, aber insgesamt habe ich mich wohl gefühlt. Ich denke, das braucht alles noch seine Zeit, bis es stabil wird.
Julia: Das ist ganz normal. Was machst du an Tagen, an denen es dir nicht so gut geht?
Lukas: Ich verbringe viel Zeit mit meinem Sohn. Er ist elf Jahre alt, und wir gehen zusammen spazieren oder Fußball spielen. Das hilft mir sehr.
Julia: Es klingt, als würdest du gute Dinge tun, um dich selbst zu unterstützen. Was ist mit deinem Job?
Lukas: Momentan bin ich freigestellt. Ich genieße die Zeit, aber manchmal denke ich, dass ich noch nicht bereit bin, wieder Vollzeit zu arbeiten. Das braucht noch Zeit.
Julia: Es ist wichtig, dir die Zeit zu nehmen, die du brauchst. Welche Medikamente nimmst du aktuell?
Lukas: Ich nehme Eszitalopram. Ich hatte früher auch Venlafaxin, aber das hat nicht so gut funktioniert, deshalb haben wir gewechselt. Momentan hoffe ich, dass es mir weiterhin hilft.
Julia: Das klingt, als ob du bereits Fortschritte gemacht hast. Was würde es für dich bedeuten, wenn du wieder "der alte Lukas" wärst?
Lukas: Das würde bedeuten, dass ich wieder Witze mache, mich viel unterhalte und einfach leicht und sorglos bin. Meine Freunde würden das sofort merken.
Julia: Es klingt, als hättest du einen guten Sinn für Humor und Leichtigkeit, den du zurückgewinnen möchtest. Es ist auch in Ordnung, schlechte Tage zu haben, solange du dich immer wieder aufrappeln kannst.
Lukas: Ja, das stimmt. Ich arbeite daran, mich nicht zu sehr von diesen Tagen runterziehen zu lassen.
Julia: Was würdest du deinem Sohn für die Zukunft wünschen?
Lukas: Dass er gesund bleibt, sich selbst verwirklichen kann, und mit Freude und Glück durchs Leben geht. Ich hoffe, dass er mit den Schwierigkeiten im Leben gut umgehen kann, ohne in die Tiefen zu geraten, die ich kenne.
Julia: Das ist ein schöner Wunsch. Denkst du, er hat bessere Chancen als du damals?
Lukas: Ja, er hat eine bessere Grundlage. Wir versuchen, ihn zu stärken und ihm Selbstbewusstsein zu geben, was ich als Kind nicht so sehr hatte.
Julia: Das ist wirklich wertvoll. Es klingt, als ob du viel aus deinen Erfahrungen für ihn mitnimmst.
Lukas: Ich hoffe es. Manchmal denke ich mir, dass ich anderen Menschen helfen kann, aber mir selbst fällt es schwerer.
Julia: Das ist völlig normal. Oft fällt es uns schwer, uns selbst zu helfen, weil wir nie gelernt haben, wie das geht. Aber du machst das gut, und du wirst immer besser darin.
Lukas: Danke, das gibt mir Hoffnung.
Julia: Gern geschehen. Es war ein gutes Gespräch.
Lukas: Danke, bis nächste Woche!
Julia: Bis dann, alles Gute!
Analyse des Gesprächs aus Sicht eines Supervisors für Psychotherapie und Lebensberatung
Das folgende Gespräch bietet einen tiefen Einblick in den therapeutischen Prozess eines Klienten, der unter Stimmungsschwankungen, Sorgen und Unsicherheiten leidet. Die Analyse fokussiert sich darauf, wie der Therapeut die therapeutische Beziehung gestaltet, welche Interventionen verwendet werden und welche Herausforderungen und Chancen im therapeutischen Verlauf sichtbar sind.
1. Beziehungsaufbau und Arbeitsallianz
Im Gespräch wird deutlich, dass die therapeutische Beziehung stark auf Vertrauen und Offenheit basiert. Der Klient beschreibt persönliche, vulnerable Themen, wie seine Stimmungsschwankungen und die aktuelle Situation mit den Medikamenten. Dies zeigt eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung, die von der Fähigkeit des Therapeuten zeugt, eine empathische und unterstützende Atmosphäre zu schaffen. Die positive Rückmeldung des Klienten ("Mir ist es jetzt wirklich gut gegangen. Das Klopfen und die Methoden, die wir besprochen haben, helfen mir immer noch sehr.") lässt auf eine erfolgreiche Kooperation schließen.
Die Arbeitsallianz wird zudem durch eine gemeinsame Zielsetzung gestärkt: Der Klient möchte wieder „der alte Lukas“ werden – eine Person, die fröhlich ist und sich leicht unterhalten kann. Diese Zielsetzung ist klar und konkret und erlaubt es dem Therapeuten, die Therapieprozesse zielgerichtet auszurichten.
2. Therapeutische Interventionen und Techniken
Der Therapeut verwendet eine Mischung aus personzentrierten und verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Die Klopftechnik, die im Gespräch erwähnt wird, weist auf einen eher integrativen Ansatz hin, der emotionale Regulation als zentrale Aufgabe des Klienten unterstützt.
Darüber hinaus nutzt der Therapeut Achtsamkeitsstrategien und ermutigt den Klienten, sich mit positiven Aktivitäten (z. B. Zeit mit dem Sohn verbringen) zu beschäftigen. Diese Techniken haben den Zweck, den Klienten in seinen Ressourcen zu stärken und zu stabilisieren, was gerade in Zeiten von Unsicherheiten und schwankenden Gefühlslagen essenziell ist.
Eine zentrale Intervention ist auch das Wiedererlangen der „alten Leichtigkeit“. Der Therapeut nutzt hier humorvolle Elemente und positive Erinnerungen („Witze machen, blöd reden zum Spaß“) als Ankerpunkte, um dem Klienten zu helfen, eine realistische und positive Vision seiner Zukunft zu entwickeln. Die Frage des Therapeuten „Was würdest du deinem Sohn für die Zukunft wünschen?“ ermöglicht eine Externalisierung und zeigt eine wertvolle Intervention zur Stärkung von Motivation und Perspektivenbildung.
3. Rollen und Grenzen des Therapeuten
Der Therapeut stellt Fragen, die sowohl die aktuellen emotionalen Zustände des Klienten erheben als auch den therapeutischen Prozess strukturieren. Das Gespräch zeigt auch, dass der Therapeut aktiv auf vergangene und aktuelle medikamentöse Behandlungen eingeht, jedoch ohne seine Kompetenzbereiche zu überschreiten. Der Klient spricht über die Medikamente, und der Therapeut zeigt sich interessiert und unterstützend, ohne eine Empfehlung abzugeben, was zeigt, dass er die medikamentöse Behandlung als ergänzenden Teil des Prozesses akzeptiert.
Eine Herausforderung könnte jedoch darin liegen, den Klienten in seiner Hoffnung auf eine pharmakologische „Lösung“ abzuholen und gleichzeitig den Fokus auf die eigenen Kompetenzen und Ressourcen des Klienten zu legen. Die Aussage „Ich glaube, ich warte zu sehr auf das Medikament“ ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass der Klient zu viel Verantwortung an das Medikament abgibt und weniger an seine eigene Fähigkeit zur Veränderung glaubt.
4. Selbstfürsorge und Resilienz
Der Klient scheint aktuell in einer Übergangsphase zu sein – zwischen Krankheit und Gesundheit, zwischen altem und neuem Selbstbild. Die Diskussion über die „Selbstverwirklichung“ des Sohnes ist eine wertvolle Gelegenheit, die Selbstfürsorge des Klienten weiter zu thematisieren. Der Klient zeigt ein hohes Maß an Empathie für seinen Sohn und eine klare Vorstellung davon, welche Ressourcen er ihm mitgeben möchte. Dies kann ein Einstieg sein, um über seine eigenen Ressourcen und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung zu sprechen.
Der Therapeut erkennt auch das „Gefühl des Scheiterns“ als zentralen Faktor für den Klienten. Das Konzept der Resilienz könnte hier eine noch intensivere Rolle spielen, indem der Klient ermutigt wird, auf seine bisherigen Erfolge und seine Überwindung von Krisen zu schauen. Der Vorschlag, eine Art „Notfallplan“ zu erstellen, wenn wieder schwierige Phasen kommen, stellt eine wertvolle Technik dar, um den Klienten in seiner Resilienz zu stärken und ihm das Gefühl der Kontrolle zurückzugeben.
5. Chancen und Herausforderungen
Eine wichtige Herausforderung ist die Balance zwischen der Förderung von Akzeptanz gegenüber schwierigen Tagen und dem Aufbau positiver Erwartungen. Der Klient tendiert dazu, „zurück in den alten Zustand“ zu wollen, was auf die Gefahr einer Idealisierung des Vergangenen hindeutet. Der Therapeut sollte daran arbeiten, dem Klienten zu vermitteln, dass persönliche Entwicklung nicht darin besteht, zum alten Selbst zurückzukehren, sondern vielmehr darin, ein neues, resilienteres Selbst zu schaffen, das auch mit schwierigen Tagen umgehen kann.
Die Diskussion über den Sohn und seine Werte zeigt, dass der Klient auch über sein eigenes Wertesystem nachdenkt. Dies bietet eine große Chance für die Therapie, sich tiefer mit den Wertvorstellungen des Klienten auseinanderzusetzen und diese als Ressource für die aktuelle Lebensphase zu nutzen.
6. Empfehlungen für den weiteren Verlauf
Ressourcenaktivierung: Es wäre sinnvoll, mit dem Klienten weiterhin an seinen Stärken und Ressourcen zu arbeiten, insbesondere durch Techniken wie die Erstellung eines „Notfallplans“ für schwierige Phasen oder die Entwicklung eines „Wertekompasses“.
Akzeptanz und Commitment: Eine weitere Möglichkeit wäre die Einführung von Elementen der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), um die Akzeptanz schwieriger Gefühle zu fördern und gleichzeitig neue Werte und Ziele zu entwickeln, die dem Klienten helfen, in seinem Leben voranzukommen.
Fokus auf den „neuen Markus“: Der Therapeut sollte daran arbeiten, die Vision eines neuen Selbst zu entwickeln, statt dem Klienten zu vermitteln, dass er der „alte Markus“ werden muss. Eine Betonung auf persönliche Weiterentwicklung und Resilienz könnte hier hilfreich sein.
Selbstfürsorge-Rituale: Dem Klienten könnten konkrete Selbstfürsorge-Rituale nahegelegt werden, die regelmäßig in den Alltag eingebaut werden (z. B. sportliche Aktivitäten, positive soziale Interaktionen, kreative Ausdrucksformen). Diese könnten als präventive Maßnahmen genutzt werden, um emotionale Tiefs zu vermeiden.
Fazit
Insgesamt zeigt das Gespräch viele positive Entwicklungen, sowohl auf Seiten des Klienten als auch des Therapeuten. Die therapeutische Beziehung ist stark, und es gibt eine klare Motivation des Klienten zur Veränderung. Der Klient ist aktiv im Prozess, reflektiert über sich und zeigt sich offen gegenüber verschiedenen Ansätzen, was eine wertvolle Grundlage für die weitere therapeutische Arbeit darstellt. Entscheidend wird sein, dem Klienten zu vermitteln, dass er selbst – und nicht nur das Medikament – die wichtigste Quelle seiner eigenen Heilung ist.