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AutorenbildThomas Laggner

Fallanalyse – Eine Klientin auf dem Weg zur Selbststärkung

Einleitung: Die Geschichte einer jungen FrauDie psychotherapeutische Arbeit ist immer einzigartig, da sie auf die individuellen Geschichten und Herausforderungen der Klient

eingeht. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf eine Fallanalyse, die die Reise einer 20-jährigen Klientin dokumentiert, die mit den Nachwirkungen von familiärer Misshandlung und emotionaler Vernachlässigung kämpft. Gleichzeitig zeigt sie beeindruckende Resilienz und eine klare Motivation zur Veränderung.

Hintergrund der Klientin: Eine schwierige Kindheit und ihre Folgen

Die Klientin beschreibt eine Kindheit, die von emotionaler und körperlicher Misshandlung geprägt war. Besonders belastend war das Verhältnis zu ihrer Mutter, die durch Kritik, Kontrolle und Vernachlässigung eine tiefe Wunde hinterlassen hat. Trotz der schwierigen Umstände entwickelte die Klientin früh Eigenständigkeit – ein Coping-Mechanismus, der ihr Überleben sicherte, aber auch dazu führte, dass sie Schwierigkeiten hat, emotionale Unterstützung von anderen anzunehmen.

Ein prägendes Thema ist das Gefühl der Einsamkeit. Die Klientin berichtet, dass sie Schwierigkeiten hat, stabile Freundschaften aufzubauen, obwohl sie sich aktiv darum bemüht. Ihre Beziehung zu ihrem Partner wird jedoch als eine Quelle von Stärke und Wachstum beschrieben, ein wichtiger Schritt in Richtung positiver Bindungen.


Analyse der Hauptproblembereiche

Die Fallanalyse hebt folgende zentrale Themen hervor:

  1. Familiäre Konflikte:Die Mutter-Kind-Beziehung ist von Ambivalenz geprägt. Während die Mutter die Brüder bevorzugt behandelt, wurde die Klientin emotional vernachlässigt und misshandelt. Diese Dynamik hat ein Gefühl der Wertlosigkeit und Wut hinterlassen.

  2. Selbstwertprobleme:Trotz großer Eigenständigkeit zeigt die Klientin Anzeichen von Selbstkritik und Perfektionismus. Sie ringt mit dem Gefühl, nicht „gut genug“ zu sein – ein Überbleibsel der ständigen Kritik aus der Kindheit.

  3. Vergangenheitsbewältigung:Missbrauchserfahrungen in einer früheren Beziehung spiegeln die destruktiven Muster ihrer familiären Prägung wider. Die Klientin arbeitet daran, diese Muster zu durchbrechen und neue Wege zu finden.

  4. Einsamkeit und soziale Isolation:Die Klientin hat Angst, in der Zukunft allein zu sein, was mit ihrem familiären Hintergrund und ihrer Erfahrung, dass Beziehungen „nicht halten“, verknüpft ist.


Diagnosen: F- und Z-Codierungen nach ICD-10

Die Herausforderungen der Klientin lassen sich durch folgende diagnostische Kategorien einordnen:

F-Diagnosen (psychische Störungen):

  • F43.1 – Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS):Belastende Kindheitserfahrungen, Misshandlung, emotionale Dysregulation und das Gefühl permanenter innerer Anspannung.

  • F60.6 – Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typ):Schwierigkeiten in der Affektregulation, episodischer Selbsthass und impulsive Verhaltensmuster, die aus familiären Dynamiken resultieren.

  • F32.1 – Mittelgradige depressive Episode:Rückzug, Einsamkeit, frühere Selbsthassphase und andauernde emotionale Belastung durch vergangene Erfahrungen.


Z-Diagnosen (Faktoren, die das Wohlbefinden beeinflussen):

  • Z63.4 – Auffällige psychosoziale Umstände innerhalb der Familie:Konflikte mit der Mutter und Ungleichbehandlung der Geschwister.

  • Z62.3 – Vernachlässigung und Misshandlung in der Kindheit:Dokumentierte emotionale und körperliche Vernachlässigung sowie Misshandlung durch die Mutter.

  • Z60.4 – Probleme der sozialen Isolation:Chronisches Gefühl der Einsamkeit und Schwierigkeiten, stabile Beziehungen zu knüpfen.

  • Z73.1 – Perfektionismus und übermäßiger Ehrgeiz:Stark ausgeprägte Selbstkritik und ein hoher Anspruch an die eigene Leistungsfähigkeit.


Therapeutischer Ansatz: Erste Schritte im Erstgespräch

Das Erstgespräch legt den Grundstein für eine erfolgreiche Therapie. In diesem Fall wurde ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der die Perspektiven verschiedener psychotherapeutischer Methoden kombiniert:

  • Personzentrierter Ansatz: Durch empathisches Zuhören und die Förderung von Selbstakzeptanz konnte die Klientin erste Schritte in Richtung Vertrauen und Offenheit machen.

  • Systemische Therapie: Mithilfe zirkulärer Fragen wurden familiäre Muster beleuchtet. Die Klientin erkannte, wie tiefgreifend die familiären Dynamiken ihre Selbstwahrnehmung und ihr Verhalten beeinflusst haben.

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Erste Denkmuster wie „Ich bin nicht liebenswert“ wurden sanft hinterfragt, um die Grundlage für eine positive Selbstreflexion zu schaffen.


Ein Blick auf die Ressourcen der Klientin

Trotz der Herausforderungen zeigt die Klientin bemerkenswerte Resilienz. Sie hat sich selbst vieles beigebracht, von emotionaler Reflexion bis hin zur aktiven Suche nach Lösungen. Ihre Fähigkeit, Probleme zu benennen und Literatur für ihre persönliche Entwicklung zu nutzen, zeigt eine außergewöhnliche Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten.

Ein weiterer Schlüssel ist ihre Partnerschaft, die sie als unterstützend und bereichernd erlebt. Dies ist ein Beispiel dafür, wie positive Beziehungen Heilung fördern können.


Therapeutische Ziele: Kurz- und langfristige Perspektiven

Kurzfristige Ziele:

  • Verbesserung der Fähigkeit, Wut und Frustration zu regulieren.

  • Aufbau von Selbstwertgefühl und Verringerung der Selbstkritik.

  • Erste Schritte in Richtung besserer sozialer Bindungen.

Langfristige Ziele:

  • Verarbeitung der Missbrauchserfahrungen und familiären Konflikte.

  • Etablierung stabiler Beziehungen, die auf Respekt und Verständnis basieren.

  • Stärkung der emotionalen Resilienz und Selbstständigkeit.


Fazit: Eine inspirierende Reise der Selbststärkung

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, eine Therapie individuell zu gestalten und die Ressourcen der Klient

zu fördern. Die Klientin hat bereits einen großen Teil der Arbeit geleistet, indem sie ihre Themen reflektiert und sich aktiv mit ihren Herausforderungen auseinandergesetzt hat. Mit therapeutischer Unterstützung hat sie die Möglichkeit, ihre Vergangenheit weiter zu bewältigen und ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben zu führen.


Die Fallanalyse erinnert uns daran, wie kraftvoll Resilienz und Eigeninitiative sein können – und wie wichtig es ist, Klient in ihrem Tempo zu begleiten.

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