Dieses Seminarskript verdeutlicht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Lebensberatung und Psychotherapie anhand eines komplexen Erstgesprächs. Während die Lebensberatung ihren Fokus auf eine ressourcenorientierte Lösung von Alltagsproblemen legt, ist die Psychotherapie tiefer verankert und befasst sich mit der Behandlung psychischer Störungen. Das Erstgespräch dient dabei als entscheidender Moment, um die richtige Ebene der Unterstützung zu erkennen.
Die Personzentrierte Haltung zeigt, wie wichtig es ist, Empathie, bedingungslose positive Wertschätzung und Echtheit in den Vordergrund zu stellen, um das Vertrauen und die Selbsterkenntnis der Klientin zu stärken. Der dargestellte Dialog und die darin hervorgehobenen Mikroprozesse verdeutlichen, wie eine empathische, wertschätzende und reflektierte Haltung des Therapeuten die Entwicklung der Klientin positiv beeinflussen kann.
Es wurde auch herausgearbeitet, dass in Fällen mit schwerwiegenden psychischen Belastungen eine genauere Differenzierung zwischen Beratung und Therapie notwendig ist, um sicherzustellen, dass der Klient die benötigte Unterstützung erhält. Die Möglichkeit der Überweisung an eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten sollte immer in Betracht gezogen werden, wenn die Belastungen über die Zuständigkeit der Lebensberatung hinausgehen.
Letztendlich soll dieses Skript auch die Reflexion der Therapeuten und Berater in der Supervision fördern. Eine regelmäßige Reflexion der eigenen Haltung und das Vermeiden von Retter-Schemata sind essenziell, um den Klienten Raum für ihre Selbstentwicklung zu lassen. Die Förderung der Selbstwirksamkeit und der Ressourcen der Klientin steht dabei im Mittelpunkt – dies ermöglicht langfristig eine nachhaltige Bewältigung der Herausforderungen des Lebens.
Inhaltsverzeichnis
Gekürzter Dialog für die personzentrierte Haltung
Einführung
Kontext des Erstgesprächs
Differenzierung zwischen Lebensberatung und Psychotherapie
Lebensberatung
Psychotherapie
Analyse des Erstgesprächs
Beratungsperspektive
Therapieperspektive
Vertiefte Analyse durch psychotherapeutische Ansätze
Emotionale Erpressung und Ko-Abhängigkeit
Narzisstische Persönlichkeitsstruktur und dysfunktionale Familienmuster
Trauma und Schuldgefühle
Vermeidung von Selbstfürsorge und Grenzen setzen
Familiäre Prägung und generationale Muster
Das „Gefangenen-Dilemma“ und Ambivalenz
Mögliche ICD-10-Diagnosen
F-Diagnosen
Z-Diagnosen
Rolle des Therapeuten: Reflexion und Supervision
1. Gekürzter Dialog - personzentrierte Haltung
Therapeut: „Sie sagen, dass Sie emotional keine Kraft mehr haben, und Sie fühlen sich gefangen in dieser Situation. Es klingt, als ob Sie keine Auswege sehen.“
Klientin: „Ja, ich habe das Gefühl, alles versucht zu haben, aber es führt immer wieder zu denselben Problemen.“
Therapeut: „Das klingt wirklich belastend. Ich höre Ihre Erschöpfung und Verzweiflung. Sie fühlen sich gefangen und haben das Gefühl, Ihre eigenen Bedürfnisse gehen völlig unter.“
Klientin: „Ja, ich gebe immer alles und habe das Gefühl, ich bekomme nichts zurück. Es ist, als ob meine Grenzen nicht respektiert werden.“
Therapeut: „Das hört sich so an, als ob es für Sie sehr wichtig wäre, dass Ihre Bedürfnisse endlich gehört und respektiert werden. Sie haben ein Recht auf Ihre eigenen Grenzen, und es ist wichtig, dass Sie diese auch für sich verteidigen.“
Klientin: „Aber ich habe Angst, was passieren könnte, wenn ich mich wirklich durchsetze.“
Therapeut: „Das verstehe ich gut. Diese Angst ist nachvollziehbar, insbesondere wenn es in der Vergangenheit oft zu Eskalationen gekommen ist. Vielleicht könnten wir gemeinsam überlegen, wie Sie Ihre Grenzen auf eine Weise setzen können, die für Sie sicher und machbar ist.“
Therapeut: „Was glauben Sie, ist das Schlimmste, was passieren könnte, wenn Sie Ihre Grenzen wirklich durchsetzen?“
Klientin: „Ich denke, er könnte wütend werden, vielleicht schreien oder mich ablehnen. Ich habe Angst, dass ich die Beziehung ganz verliere.“
Therapeut: „Das klingt so, als ob Sie eine tiefe Angst davor haben, verlassen oder abgelehnt zu werden. Das ist verständlich, wenn diese Reaktion schon oft vorgekommen ist. Wir können daran arbeiten, Ihre Sicherheit in solchen Momenten zu stärken. Was brauchen Sie, um sich sicherer zu fühlen, wenn Sie Ihre Grenzen setzen?“
Klientin: „Ich glaube, ich brauche das Gefühl, dass ich Unterstützung habe, dass jemand hinter mir steht.“
Therapeut: „Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Unterstützung kann ein kraftvolles Gefühl sein, das Ihnen hilft, durch solche schwierigen Situationen zu gehen. Vielleicht könnten wir überlegen, welche Ressourcen und Menschen Ihnen im Umfeld diesen Rückhalt geben könnten. Gibt es jemanden, von dem Sie denken, dass er oder sie Sie in solchen Momenten unterstützen könnte?“
Klientin: „Vielleicht meine Schwester. Sie war schon immer da für mich, wenn ich Schwierigkeiten hatte. Aber ich habe sie nie wirklich um Hilfe gebeten, weil ich das Gefühl habe, sie nicht belasten zu wollen.“
Therapeut: „Das klingt so, als ob Sie sehr darauf achten, andere nicht zu belasten. Ihre Schwester ist Ihnen wichtig, und es scheint, als sei sie eine wichtige Ressource für Sie. Wäre es denkbar, mit ihr darüber zu sprechen, dass Sie ihre Unterstützung schätzen und sie vielleicht in Zukunft etwas mehr einbeziehen möchten?“
Mikroprozess: Selbstwahrnehmung stärken
Klientin: „Vielleicht könnte ich das tun. Ich weiß, dass sie mir helfen würde, aber es fällt mir schwer, wirklich zu fragen. Es fühlt sich fast wie eine Schwäche an, wenn ich Hilfe brauche.“
Therapeut: „Es klingt, als ob das Bedürfnis nach Unabhängigkeit für Sie sehr wichtig ist. Gleichzeitig darf ich auch hören, dass Sie sich Unterstützung wünschen. Es gibt einen inneren Konflikt zwischen diesen beiden Seiten. Vielleicht könnten wir heute einen kleinen Schritt in Richtung Selbstfürsorge machen und überlegen, wie Sie beide Seiten—Ihre Unabhängigkeit und den Wunsch nach Unterstützung—zusammenbringen können.“
Mikroprozess: Validierung von Ambivalenz
Klientin: „Ja, das wäre gut. Es ist oft so schwer, beides miteinander zu verbinden. Ich möchte stark sein, aber manchmal fühle ich mich einfach so alleine.“
Therapeut: „Es ist absolut menschlich, sich manchmal alleine und erschöpft zu fühlen, besonders wenn man immer alles alleine schaffen will. Vielleicht könnten wir uns damit auseinandersetzen, dass Stärke nicht nur bedeutet, alles alleine zu schaffen, sondern auch darin liegt, sich selbst genug zu lieben, um Unterstützung anzunehmen, wenn man sie braucht. Welche Gedanken kommen Ihnen dazu?“
Mikroprozess: Reflexion über Stärke und Selbstfürsorge
Klientin: „Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht bedeutet Stärke auch, sich zu zeigen, wenn man sich verletzlich fühlt. Das habe ich noch nie so betrachtet.“
Therapeut: „Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis. Sich selbst zu erlauben, verletzlich zu sein, erfordert enorm viel Mut. Es ist der erste Schritt zu echter Veränderung und Heilung. Vielleicht könnten wir darauf aufbauen, kleine Momente der Verletzlichkeit zu erkunden, wo Sie sich sicher fühlen, diese auszudrücken.“
Klientin: „Das würde ich gerne versuchen. Vielleicht könnte ich damit anfangen, meiner Schwester zu sagen, dass ich sie brauche.“
Therapeut: „Das klingt nach einem wunderbaren ersten Schritt. Es ist so wertvoll, dass Sie sich dafür öffnen, und ich werde Sie in diesem Prozess unterstützen. Wir könnten uns auch überlegen, wie Sie sich in solchen Momenten beruhigen könnten, wenn die Angst vor Ablehnung hochkommt. Was hilft Ihnen, sich zu beruhigen?“
Mikroprozess: Erarbeitung von Selbstberuhigungsstrategien
Klientin: „Ich habe gemerkt, dass es mir hilft, tief durchzuatmen und mir zu sagen, dass ich das durchstehen kann. Aber oft vergesse ich das in der Hitze des Moments.“
Therapeut: „Das ist sehr kraftvoll, dass Sie das schon bemerkt haben. Vielleicht könnten wir zusammen einen kleinen Plan entwickeln, wie Sie sich in solchen Momenten daran erinnern könnten, tief zu atmen und sich selbst zu beruhigen. Vielleicht könnten kleine Notizen oder Symbole Ihnen als Erinnerung dienen.“
Klientin: „Das könnte helfen. Vielleicht könnte ich einen kleinen Zettel in meiner Tasche haben oder ein Symbol, das mich daran erinnert.“
Therapeut: „Das klingt nach einer sehr guten Idee. Kleine Symbole oder Notizen können starke Anker sein, die uns an das erinnern, was uns hilft. Lassen Sie uns doch gemeinsam überlegen, welches Symbol für Sie passen könnte. Etwas, das Sie beruhigt und Ihnen Kraft gibt.“
Mikroprozess: Nutzung von Symbolen als Ressource
Klientin: „Vielleicht eine Feder. Sie erinnert mich an Leichtigkeit und daran, dass ich nicht alles so schwer nehmen muss.“
Therapeut: „Eine Feder – das ist wunderschön. Sie symbolisiert Leichtigkeit und Sanftheit. Vielleicht könnte diese Feder für Sie ein Zeichen dafür sein, dass es okay ist, loszulassen und sich auch Unterstützung zu gönnen. Das ist ein sehr starkes Symbol für die Reise, auf der Sie sich gerade befinden.“
Dieser erweiterte Dialog verdeutlicht die zentrale Bedeutung von empathischem Verstehen, bedingungsloser positiver Wertschätzung und Echtheit in der personzentrierten Haltung nach Carl Rogers. Durch das Hervorheben von Mikroprozessen wie Selbstwahrnehmung stärken, Ambivalenzen validieren, Reflexion über Stärke und Selbstfürsorge sowie Erarbeitung von Selbstberuhigungsstrategien wird deutlich, wie der Therapeut die Klientin dabei unterstützt, innere Konflikte zu erkennen und neue Handlungsansätze zu entwickeln. Der Fokus liegt dabei auf der emotionalen Welt der Klientin und ihrem Bedürfnis nach Anerkennung ihrer eigenen Grenzen und Bedürfnisse.
2. Einführung
Dieses Seminarskript beschäftigt sich mit dem Thema des Erstgesprächs in der Beratungspraxis. Dabei wird insbesondere auf die Differenzierung zwischen der Arbeit eines Lebensberaters und der Psychotherapie eingegangen. Im Fokus steht ein Gespräch, das in seiner Komplexität sowohl psychotherapeutische als auch beraterische Elemente aufgreift, und als Beispiel für ein typisches Erstgespräch dient. Am Ende des Skripts wird verdeutlicht, wie sich die weiteren Schritte im Beratungs- bzw. Therapieprozess gestalten könnten.
3. Kontext des Erstgesprächs
Das hier zugrunde liegende Gespräch ist als ein typisches Erstgespräch zu verstehen, das Aufschluss über die emotionalen, psychischen und familiären Belastungen des Klienten gibt. In diesem Fall handelt es sich um eine Mutter, die aufgrund ihrer familiären Verstrickungen – insbesondere durch die Beziehung zu ihrem Sohn – stark emotional belastet ist. Die Mutter beschreibt einen Konflikt, der sich über viele Jahre entwickelt hat, geprägt von emotionaler Erpressung, narzisstischen Verhaltensmustern und starken Schuldgefühlen.
Ein Erstgespräch verfolgt mehrere Ziele:
Kennenlernen: Das Erstgespräch dient dazu, eine Vertrauensbasis zu schaffen und erste Informationen über das Anliegen des Klienten zu sammeln.
Problemerfassung: Die relevanten Themen des Klienten werden erfasst und eine erste Strukturierung der Problematik erfolgt.
Zielklärung: Der Berater oder Therapeut hilft dem Klienten, seine Ziele zu formulieren, und erläutert mögliche nächste Schritte im Beratungs- oder Therapieprozess.
Abgrenzung und Klärung der Zuständigkeit: Hier wird geklärt, ob die Anliegen des Klienten in den Rahmen einer Lebensberatung oder einer Psychotherapie fallen.
4. Differenzierung zwischen Lebensberatung und Psychotherapie
Lebensberatung
Ein Lebensberater begleitet Menschen in verschiedenen Lebenslagen, insbesondere bei:
beruflichen oder privaten Krisen
Entscheidungssituationen
Stress- und Konfliktbewältigung
zwischenmenschlichen Problemen
Lebensberatung ist lösungs- und ressourcenorientiert. Der Fokus liegt auf der Unterstützung bei der Entwicklung neuer Perspektiven und konkreter Handlungsstrategien, um aktuelle Probleme zu bewältigen. Lebensberater arbeiten vor allem mit gesunden Menschen, die temporäre Schwierigkeiten oder Herausforderungen in ihrem Leben haben. Sie bieten keine Heilbehandlung psychischer Störungen an.
Psychotherapie
Psychotherapie hingegen beschäftigt sich mit der Behandlung psychischer Störungen. Dies schließt Krankheitsbilder wie Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen ein. Psychotherapeuten arbeiten tiefenpsychologisch, verhaltens- oder gesprächstherapeutisch, um psychische Symptome zu lindern und Verhaltensmuster sowie emotionale Prozesse nachhaltig zu verändern.
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal liegt also in der Frage, ob eine psychische Erkrankung vorliegt. Während Lebensberater bei Alltagsproblemen und -krisen unterstützen, sind Psychotherapeuten für die Behandlung von psychischen Störungen zuständig. Im Gespräch mit der Mutter wäre es hier also wichtig zu klären, ob es sich um eine Beratung zu familiären und beruflichen Themen handelt oder ob psychotherapeutische Interventionen erforderlich sind.
5. Analyse des Erstgesprächs
Im beschriebenen Gespräch zeigt sich eine Vielzahl an psychodynamischen Mustern und emotionalen Belastungen:
Ko-Abhängigkeit und emotionale Erpressung: Die Mutter beschreibt das Gefühl, emotional erpresst zu werden. Dies deutet auf eine tiefe Verstrickung in familiäre Beziehungsdynamiken hin.
Schuldgefühle: Es wird deutlich, dass die Mutter unter massiven Schuldgefühlen leidet, die ihr Handeln maßgeblich beeinflussen.
Frustration und Ohnmacht: Die Unfähigkeit, klare Grenzen zu setzen, und das Gefühl, immer wieder in belastende Situationen gezogen zu werden, kennzeichnen die emotionale Lage der Mutter.
Beratungsperspektive
Ein Lebensberater würde in einem solchen Gespräch zunächst versuchen, die äußeren Stressoren und Dynamiken zu erfassen, um dem Klienten zu helfen, klare Grenzen zu ziehen und neue Handlungsstrategien zu entwickeln. Dies könnte durch Übungen zur Abgrenzung und die Stärkung des Selbstwertgefühls unterstützt werden.
Die Zielsetzung im Beratungskontext wäre, die Mutter dabei zu unterstützen, wieder Kontrolle über ihr Leben zu erlangen und Strategien zu entwickeln, um sich emotional und finanziell von der Belastung durch den Sohn abzugrenzen.
Therapieperspektive
Ein Psychotherapeut hingegen würde sich in einem solchen Fall mit den tieferliegenden psychischen Prozessenbeschäftigen. Es wäre relevant zu untersuchen, woher die Schuldgefühle kommen, und wie die frühe Bindungserfahrung der Mutter die gegenwärtige Situation beeinflusst. Hier könnten traumatherapeutische Ansätzeoder eine Arbeit mit Persönlichkeitsstörungen (wie narzisstische Strukturen) im Vordergrund stehen.
6. Vertiefte Analyse durch psychotherapeutische Ansätze
1. Emotionale Erpressung und Ko-Abhängigkeit
Die Mutter befindet sich in einem hochgradig dysfunktionalen Beziehungsgefüge, das durch emotionale Erpressung geprägt ist. Der Sohn nutzt anscheinend Drohungen und manipulative Verhaltensweisen, um seine Bedürfnisse durchzusetzen. Die Mutter zeigt starke Anzeichen von Ko-Abhängigkeit: Sie fühlt sich verantwortlich für das Wohlergehen ihres Sohnes und scheint nicht in der Lage zu sein, sich emotional oder finanziell von ihm zu distanzieren, obwohl diese Beziehung für sie enorm belastend ist.
Therapeutische Hypothese: Es könnte sich um eine emotionale Ko-Abhängigkeit handeln, bei der die Mutter versucht, das Leiden ihres Sohnes zu lindern, obwohl dies auf Kosten ihrer eigenen psychischen Gesundheit geschieht. Der Gedanke, dass sie ihrem Sohn helfen muss, könnte tief in Schuldgefühlen oder in ihrer familiären Prägung verankert sein. Diese Dynamik lässt sich oft in Familien finden, in denen eine pathologische Bindung zwischen Eltern und Kindern besteht, die durch eine emotionale oder finanzielle Abhängigkeit aufrechterhalten wird.
7. Mögliche ICD-10-Diagnosen
F-Diagnosen
F32.9 – Depressive Episode, nicht näher bezeichnet: Hinweise auf emotionale Erschöpfung, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Schuldgefühle könnten auf eine depressive Episode hinweisen, insbesondere angesichts der dauerhaften Belastung und der beschriebenen emotionalen Notlage.
F60.8 – Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen (möglicherweise narzisstische Persönlichkeitsstörung): Die Schilderung von narzisstischen Tendenzen im Verhalten des Sohnes könnte auf diese Diagnose hinweisen. Es wird von manipulativen, egozentrischen Verhaltensmustern gesprochen, was für narzisstische Persönlichkeitsstörungen typisch ist.
F63.9 – Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle, nicht näher bezeichnet: Die Schilderung von gewalttätigen Handlungen, Aggressionen und impulsiven Ausbrüchen könnte darauf hinweisen, dass eine Störung der Impulskontrolle vorliegt.
F43.1 – Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Die beschriebene Geschichte emotionaler Erpressung, Gewalt und Bedrohung könnte bei der Person selbst Symptome einer PTBS hervorrufen, insbesondere wenn es zu andauernden Belastungen kommt, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen.
Z-Diagnosen
Z63.0 – Probleme in der Beziehung zu Ehepartner und Partner: Die Person schildert familiäre Probleme und Beziehungsstörungen, insbesondere zu ihrem Sohn und möglicherweise zu ihrem Ex-Partner. Dies könnte eine belastende Familiensituation darstellen.
Z63.5 – Probleme in der Beziehung zu Angehörigen: Die beschriebene belastende Beziehung zum Sohn, der emotional und finanziell abhängig ist, könnte unter diese Diagnose fallen.
Z73.3 – Stress, nicht näher bezeichnet: Die Person beschreibt eine extreme Belastung, Überforderung und das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu sein. Dies könnte auf chronischen Stress hindeuten.
Z62.8 – Sonstige spezifizierte Probleme in Bezug auf die Erziehung eines Kindes: Wenn das problematische Verhalten des Sohnes und die Erziehung über die Jahre als Ursache der Konflikte betrachtet wird, könnte diese Diagnose passen.
8. Rolle des Therapeuten: Reflexion und Supervision
In der Rolle des Therapeuten ist es entscheidend, eine haltende Funktion einzunehmen, ohne dabei das sogenannte Retter-Schema zu aktivieren. Dies bedeutet, dass der Therapeut die Verantwortung für die Lösung der Probleme nicht auf sich nehmen sollte, sondern den Klienten dazu befähigen muss, selbst Wege zu finden.
Ein zentrales Ziel ist dabei die Stärkung der Ressourcen der Klientin und die Unterstützung beim Aufbau von Selbstwirksamkeit. Die Klientin sollte dazu ermutigt werden, ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken und weiterzuentwickeln, um schwierige Situationen eigenständig zu bewältigen.
Für Supervisoren ist es hilfreich, dem Therapeuten zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, professionelle Distanz zu wahren, insbesondere in emotional sehr belasteten Fällen. Der Therapeut sollte sich der Gefahr bewusst sein, selbst in die emotionalen Verstrickungen der Klientin hineingezogen zu werden, und kontinuierlich an seiner Selbstreflexionarbeiten. Supervision kann helfen, blinde Flecken aufzudecken und die eigene Haltung zu überprüfen.