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AutorenbildThomas Laggner

Fallanalyse: Wiedereingliederung & Lernerfahrung

Klara: Auf jeden Fall, weil es sowieso der stressigste Monat ist, mit der ganzen Situation und allem. Wechseln und alles – jetzt habe ich noch eine nette Stunde und 30 Minuten Zeit. Ich hatte echt ein bisschen Bange und habe das meiner Psychiaterin und meinem Psychologen gesagt. Der Psychologe ist dann krank geworden und ich habe zum Schluss eine Psychologin gehabt. Beide meinten, ich sollte es doch mit der Wiedereingliederung versuchen.

Markus: Und wie ist es dann gelaufen?

Klara: Zum Glück bin ich dann bei einer Arbeitsassistenz gelandet, sie haben mir gleich gesagt, was ich machen muss, welche Möglichkeiten es gibt. Das hat mir sehr geholfen, und am nächsten Tag war alles erledigt.

Markus: Es klingt, als hättest du viel Unterstützung bekommen.

Klara: Ja, das stimmt. Jetzt bin ich in der Wiedereingliederungsteilzeit. Ich arbeite ein wenig weniger, aber es war schon eine Umstellung. Heute war der zweite Tag, und ich muss sagen, es fühlt sich noch ungewohnt an. Aber es tut mir gut, ein bisschen langsamer zu machen.

Markus: Das klingt, als wärst du auf einem guten Weg. Was machst du sonst, um dich zu entspannen?

Klara: Ich bin viel wandern gewesen, das hat mir sehr geholfen. Es war eine Art Flucht, aber es hat funktioniert. Es war einfach so viel Unruhe in mir, ich wusste nicht, wie ich das bewältigen sollte.

Markus: Unruhe ist oft ein Zeichen, dass wir uns überfordern. Wie gehst du jetzt damit um?

Klara: Ich versuche, mir regelmäßig Pausen zu nehmen, auch während der Arbeit. Aber es fällt mir schwer, wirklich abzuschalten. Vor allem, wenn noch Arbeit offen ist und ich früher nach Hause gehe. Das fühlt sich einfach komisch an.

Markus: Das ist eine große Herausforderung, vor allem, wenn man sich daran gewöhnt hat, immer alles selbst zu erledigen.

Klara: Genau. Es ist schwer, loszulassen und anderen zu vertrauen. Aber ich arbeite daran. Auch meine Kollegen sagen, dass ich langsamer machen soll, aber es ist schwer für mich, das wirklich zu akzeptieren.

Markus: Es ist wichtig, dass du dir selbst diese Erlaubnis gibst. Was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Klara: Mehr Balance. Und dass ich lerne, rechtzeitig auf meine Grenzen zu hören, bevor es wieder zu viel wird.


Analyse aus der Sicht eines Supervisors für Psychotherapie und Lebensberatung

Die folgende Analyse beleuchtet das Gespräch aus einer supervisorischen Perspektive, mit Fokus auf die therapeutische Dynamik, Interventionen, und Potenzial für weitere Entwicklung.

1. Beziehungsaufbau und Vertrauen

Klara zeigt eine beeindruckende Offenheit in Bezug auf ihre Herausforderungen und Fortschritte. Das deutet auf eine starke Arbeitsallianz hin, die auf Vertrauen basiert. Der Therapeut schafft es, durch gezielte Fragen Klara zur Selbstreflexion zu bewegen und gibt ihr die Möglichkeit, eigene Fortschritte und Hindernisse offen darzulegen. Diese Beziehung ist eine wichtige Ressource für den weiteren therapeutischen Prozess.

2. Ressourcenaktivierung und Ermutigung

Klara spricht von ihren regelmäßigen Wanderungen, die ihr geholfen haben, mit der inneren Unruhe umzugehen. Dies zeigt, dass der Therapeut bereits erfolgreich Ressourcen aktiviert hat. Klara wird ermutigt, sich weiterhin mit Aktivitäten zu beschäftigen, die ihr gut tun. Eine tiefergehende Arbeit könnte darauf abzielen, diese positiven Erfahrungen stärker in den Alltag zu integrieren und sie bewusster als Bewältigungsstrategie zu verankern.

3. Herausforderung der Grenzsetzung und Selbstfürsorge

Klara beschreibt Schwierigkeiten beim Einhalten von Grenzen, vor allem im Arbeitsumfeld. Es fällt ihr schwer, sich Pausen zu erlauben und früher nach Hause zu gehen, weil sie das Gefühl hat, nicht genug geleistet zu haben. Diese Problematik ist typisch für Personen mit einem stark ausgeprägten Pflichtgefühl und einem hohen Leistungsanspruch. Der Therapeut könnte hier intensiver daran arbeiten, Klaras Selbstbild und die zugrunde liegenden Glaubenssätze zu hinterfragen. Interventionen aus der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), wie z.B. die Arbeit mit automatischen Gedanken ("Ich darf nicht früher gehen, sonst bin ich nicht gut genug"), könnten hilfreich sein.

4. Integration von Achtsamkeit

Klara scheint zu erkennen, dass sie regelmäßige Pausen braucht, aber es fällt ihr schwer, diese auch in die Praxis umzusetzen. Hier könnte der Therapeut Achtsamkeitsübungen einführen, um Klara zu unterstützen, bewusster mit ihren Bedürfnissen umzugehen. Achtsamkeit könnte ihr helfen, sich in stressigen Situationen zu "erden" und eine positive Haltung gegenüber Pausen und Selbstfürsorge zu entwickeln.

5. Arbeit an Selbstwert und Selbstakzeptanz

Die Problematik, sich selbst Pausen zu erlauben und die Herausforderung, loszulassen, weisen darauf hin, dass Klaras Selbstwert stark an Leistung gekoppelt ist. Der Therapeut könnte Klara helfen, ihren Selbstwert von der Arbeit zu entkoppeln und Selbstakzeptanz zu fördern, unabhängig von äußeren Leistungen. Die Entwicklung eines positiven Selbstbildes, das nicht ausschließlich auf Leistung basiert, könnte ihr langfristig helfen, gesünder mit Belastungen umzugehen.

6. Zielsetzung und Zukunftsperspektive

Am Ende des Gesprächs äußert Klara ihren Wunsch nach mehr Balance und einem besseren Erkennen ihrer eigenen Grenzen. Dies stellt eine wertvolle Zielsetzung für die weiteren Sitzungen dar. Der Therapeut könnte darauf aufbauen, indem er Klara unterstützt, konkrete Schritte zu definieren, wie sie dieses Ziel erreichen kann. Es könnte sinnvoll sein, einen "Notfallplan" zu entwickeln, der Klara dabei hilft, rechtzeitig auf Anzeichen von Überforderung zu reagieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen.


Fazit und weitere Empfehlungen

Das Gespräch zeigt, dass Klara bereit ist, Veränderungen anzugehen, auch wenn es ihr schwerfällt, sich selbst Freiheiten zuzugestehen. Die Arbeit sollte weiterhin darauf fokussieren, Ressourcen zu stärken, Glaubenssätze über Leistung und Wert zu hinterfragen und konkrete Strategien zur Selbstfürsorge zu entwickeln. Die Einführung von Achtsamkeitstechniken und die Erarbeitung eines Notfallplans könnten dabei unterstützend wirken.


Der Therapeut scheint bereits erfolgreich eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut zu haben, die eine wertvolle Basis für die weitere Arbeit darstellt. Es gilt nun, diese Basis zu nutzen, um tiefgehende, nachhaltige Veränderungen anzustoßen, die Klaras Lebensqualität verbessern.


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