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🧍‍♂️ Fallbeispiel: LUKE

Thema: Selbstmitgefühl, Backdraft & frühe Schamerfahrung

🔹 Hintergrund & Kontext


Name: Luke (27)Beruf: Student der SozialpädagogikRahmen: Teilnahme an einem achtsamkeitsbasierten Selbsterfahrungsseminar im Zuge der Lebensberater:innen-AusbildungThema: Schwierigkeit, Mitgefühl auf sich selbst zu richten

Luke wirkt freundlich, hilfsbereit, sozial kompetent – aber gleichzeitig kontrolliert, etwas steif im Körper und schnell verunsichert, wenn es um emotionale Nähe zu sich selbst geht. Im Gruppensetting wird er oft als „der, der für alle da ist“ wahrgenommen.


🔸 Ablauf der Szene im Seminar

Übung: Die SelbstmitgefühlspauseDie Gruppe wurde angeleitet, sich mit einem aktuellen belastenden Thema zu verbinden und innerlich die drei Sätze zu sprechen:

  1. „Das ist ein Moment des Leidens.“

  2. „Leiden gehört zum Menschsein.“

  3. „Möge ich freundlich mit mir sein.“

🕯️ Bei Satz 3 friert Luke innerlich ein.

Er öffnet die Augen, seine Atmung wird flacher, Stimme stockt.Er sagt leise:„Ich kann diesen Satz nicht sagen. Das fühlt sich falsch an. Ich verdiene das nicht.“

Die Trainer:in bittet ihn, in Kontakt mit dem Körper zu gehen, statt am Satz festzuhalten.

🔍 Beobachtbare Phänomene:

Bereich

Beobachtung

Körperlich

Spannung im Nacken, zurückgezogene Schultern, feuchte Hände

Emotional

Scham, Unsicherheit, kindliche Verletzlichkeit

Kognitiv

„Ich verdiene kein Mitgefühl.“ – „Ich bin zu viel.“

Verhalten

Rückzug, Blick nach unten, leichtes Zittern

🧠 Interpretation: Was geschieht innerlich bei Luke?

🧯 Backdraft-Mechanismus

  • Die Einladung zur Freundlichkeit reaktiviert unbewusste, frühkindliche Schamerfahrungen

  • Möglicherweise stammt Luke aus einem Umfeld, in dem emotionaler Ausdruck mit Ablehnung oder Spott beantwortet wurde

  • Die Selbstmitgefühlsübung konfrontiert ihn mit einem inneren Teil, der Mitgefühl als Gefahr interpretiert

„Wenn ich mich weich mit mir verbinde, kommt alles Hochverratene wieder zurück.“

💬 Intervention & Begleitung

Die Trainerin reagiert nicht mit „Du darfst dir das erlauben“, sondern mit:

🗣️ „Du musst den Satz nicht sagen. Was fühlst du in deinem Körper, wenn du ihn hörst?“🗣️ „Magst du einfach deine Hand auf dein Herz legen – ohne etwas zu sagen?“

→ Luke nickt, legt die Hand auf die Brust. Tränen fließen still.

Danach folgt ein Satzangebot:

„Auch das darf da sein.“„Es ist mutig, gerade genau das zu fühlen.“

🌱 Nachbesprechung in der Reflexionsrunde

Luke berichtet:

„Ich habe zum ersten Mal gespürt, dass ich innerlich Nein sagen darf – und trotzdem dazugehören kann. Das war neu.“

🧩 Lerninhalte & Reflexionsanregung für Teilnehmer:innen

  • Selbstmitgefühl ist nicht immer sofort möglich – manchmal beginnt es mit Dasein-Lassen.

  • Der Körper zeigt den Zugang, nicht der kognitive Wille.

  • Backdraft ist ein Zeichen innerer Öffnung, kein Rückfall.

  • Der Satz „Ich kann das (noch) nicht fühlen“ ist ein Einstieg, kein Ausstieg.


📌 Reflexionsfragen für die Ausbildung:

  1. Was war der Schlüsselmoment in der Begleitung von Luke?

  2. Welche Haltung war hier besonders hilfreich – und welche hätte womöglich retraumatisierend gewirkt?

  3. Wie erkennst du bei dir oder in der Beratung erste Anzeichen von Backdraft?

  4. Welche Form von Mitgefühl ist in solchen Momenten angebracht – und wie kann man sie nonverbal ausdrücken?

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