Despotische Chefin & Gründerin
Frau Maier, eine ehemalige Bankangestellte, entschied sich nach der zweiten Karenz für einen beruflichen Wechsel in den sozialen Bereich. Sie nahm eine Stelle in einem gemeinnützigen Verein für mobile Kinderkrankenpflege an. Die Entscheidung wurde nicht nur durch den Wunsch nach einem sinnvolleren Beruf motiviert, sondern auch durch die Tatsache, dass der Arbeitsort sehr gut zu ihrer familiären Situation passte. Doch schon kurz nach Arbeitsbeginn stellte Frau Maier fest, dass die Aufgaben und das Arbeitsklima nicht ihren Erwartungen entsprachen. Ihre Chefin zeigte wiederholt Verhaltensweisen, die Frau Maier als übergriffig und narzisstisch erlebte, was zu einer großen psychischen Belastung führte.
Einige ihrer Vorgängerinnen hatten den Job schon nach kurzer Zeit aufgegeben, und Frau Maier merkte, dass auch sie sich in einer zunehmend schwierigen Lage befand. Sie versuchte, sich den Herausforderungen zu stellen, sah dies sogar als "Lebensprüfung", doch die wiederholten Konflikte mit der Chefin, in Kombination mit ständigen Übergriffen und einem Mangel an Unterstützung durch das Team, führten zu einer zunehmenden emotionalen Erschöpfung. Die Situation gipfelte schließlich in einem großen Konflikt, bei dem Frau Maier erstmals laut wurde und ihre Grenzen klar formulierte. Dies war ein wichtiger Schritt für sie, auch wenn sie danach das Gefühl hatte, im Team alleingelassen zu sein.
Die wiederholten übergriffigen Verhaltensweisen der Chefin - wie die Forderung, private Handynummern für dienstliche Zwecke zu nutzen, oder Aufgaben zu erledigen, die nicht zu ihrem Jobprofil gehörten - waren für Frau Maier besonders belastend. Sie begann zunehmend, ihre eigene Belastungsgrenze zu erreichen und zeigte psychosomatische Symptome wie Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen. Die Situation eskalierte so weit, dass sie sich krankmelden musste, um der Belastung zu entfliehen. Während des Krankenstandes reflektierte sie die vergangenen Monate und versuchte, sich klar darüber zu werden, wie sie weiter vorgehen sollte.
Supervisionsprozess:
Als Supervisor würde ich mit Frau Maier wie folgt arbeiten, um ihre Ressourcen zu stärken und gemeinsam konstruktive Wege aus ihrer schwierigen Situation zu erarbeiten:
1. Aufbau einer Vertrauensvollen Beziehung
Im ersten Gespräch ist es entscheidend, eine vertrauensvolle Beziehung herzustellen. Ich würde Frau Maier zunächst Raum geben, ihre Situation zu schildern, und dabei aktiv zuhören, um ihr zu zeigen, dass ihre Erlebnisse und Empfindungen hier ernst genommen werden. Ich würde durch empathisches Spiegeln und gezielte Rückfragen sicherstellen, dass sie sich verstanden fühlt. Ein Satz wie "Es klingt, als wäre es extrem belastend für Sie gewesen, dass Ihre Chefin Ihre Grenzen wiederholt nicht respektiert hat" wäre hier hilfreich, um ihr zu signalisieren, dass ich ihre Perspektive nachvollziehen kann.
2. Ressourcenaktivierung: Die Stärken von Frau Maier erkennen
Ein wichtiger Teil der Supervision wäre die Aktivierung ihrer Ressourcen. Frau Maier hat bereits in mehreren Fällen gezeigt, dass sie ihre Grenzen setzen kann - auch wenn dies große Anstrengungen erforderte. Ich würde dies betonen und sagen: "Es hat großen Mut erfordert, Ihrer Chefin deutlich Ihre Grenzen aufzuzeigen. Das zeigt, dass Sie in der Lage sind, sich zu schützen, selbst wenn die Umstände schwierig sind." Gemeinsam würden wir dann die Fälle genauer betrachten, in denen es ihr gelungen ist, sich erfolgreich abzugrenzen, um zu verstehen, welche inneren Ressourcen ihr dabei zur Verfügung standen und wie sie diese in Zukunft noch stärker nutzen kann.
3. Analyse der Konfliktsituationen und Entwicklung neuer Handlungsstrategien
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Supervisionsprozesses wäre die Analyse der Konfliktsituationen mit der Chefin. Dabei würde ich Frau Maier anleiten, konkrete Beispiele zu schildern, und dann gemeinsam untersuchen, welche Dynamiken in diesen Situationen wirkten. Welche Gefühle wurden bei ihr ausgelöst, welche bei der Chefin? Wo könnte Frau Maier eventuell anders handeln, um sich selbst besser zu schützen? Hierbei könnte ich sie beispielsweise fragen: "Was wäre passiert, wenn Sie in dieser Situation direkt klar gesagt hätten, dass Sie diese Aufgabe nicht übernehmen werden?" Ziel wäre es, neue Handlungsstrategien zu entwickeln, die Frau Maier helfen, ihre Grenzen früher und klarer zu setzen, bevor es zur Eskalation kommt.
4. Psychoedukation: Narzisstische Persönlichkeitszüge verstehen
Da Frau Maier die Verhaltensweisen ihrer Chefin als narzisstisch erlebt, würde ich ihr durch Psychoedukation helfen, diese Dynamiken besser zu verstehen. Wir würden besprechen, wie narzisstische Persönlichkeitszüge aussehen können, warum Menschen mit solchen Zügen oft Schwierigkeiten haben, Empathie zu zeigen, und wie dies die Arbeitsbeziehungen beeinflusst. Es ist wichtig, Frau Maier zu verdeutlichen, dass das Verhalten ihrer Chefin nicht durch ihr eigenes Verhalten ausgelöst wurde, sondern in der Persönlichkeit der Chefin liegt. Dies könnte ihr helfen, sich weniger persönlich angegriffen zu fühlen und emotionale Distanz zu schaffen.
5. Ressourcenaktivierende Techniken: Klopftechniken und Atemübungen
Um Frau Maier zu helfen, ihre innere Anspannung zu reduzieren, würde ich ihr verschiedene Techniken zur Stressbewältigung anbieten. Wir würden Klopftechniken und Atemübungen einüben, die sie in akuten Stresssituationen nutzen kann, um ihre Emotionen zu regulieren und einen klaren Kopf zu bewahren. Diese Techniken könnten ihr helfen, sich während der Arbeit kurz zu "zentrieren", bevor sie auf stressige Situationen reagiert. Ich würde betonen: "Diese Techniken sind Werkzeuge, die Ihnen helfen können, sich selbst in stressigen Momenten wieder ins Gleichgewicht zu bringen und bewusst zu handeln."
6. Berufliche Perspektiven entwickeln
Da Frau Maier den Wunsch geäußert hat, nicht zu kündigen, bevor sie eine neue Stelle gefunden hat, würde ich mit ihr an der Entwicklung einer neuen beruflichen Perspektive arbeiten. Gemeinsam würden wir ihre beruflichen Stärken und Interessen erkunden und mögliche Alternativen zu ihrer aktuellen Stelle besprechen. Ich würde sie ermutigen, sich über ihre Bedürfnisse im Klaren zu werden: "Was würde ein Arbeitsplatz bieten müssen, damit Sie sich dort wohlfühlen?" Die Entwicklung konkreter beruflicher Ziele könnte ihr dabei helfen, aus ihrer derzeitigen passiven Rolle herauszutreten und aktiv an ihrer beruflichen Zukunft zu arbeiten.
7. Abschluss: Selbstwert und Selbstfürsorge stärken
Zum Abschluss der Supervision würde ich Frau Maier dabei helfen, ihren Selbstwert und ihre Selbstfürsorge zu stärken. Ich würde ihr aufzeigen, dass sie als Person mit all ihren Stärken und Schwächen wertvoll ist, unabhängig davon, wie ihre Chefin sie behandelt. Wir würden gemeinsam überlegen, wie sie im Alltag besser für sich sorgen kann - sei es durch kleine Pausen, positive Selbstgespräche oder das bewusste Setzen von Grenzen. Ziel wäre es, Frau Maier darin zu unterstützen, wieder mehr Kontrolle über ihr Leben zu erlangen und ihre Rolle als aktive Gestalterin ihres beruflichen und privaten Umfelds zu stärken.
Fazit
Die Arbeit mit Frau Maier in der Supervision würde darauf abzielen, ihre emotionale Stabilität zu stärken, ihre Selbstwirksamkeit zu erhöhen und ihr dabei zu helfen, sowohl ihre berufliche Situation als auch ihren Umgang mit Konflikten zu verbessern. Die Kombination aus empathischem Zuhören, Psychoedukation, Ressourcenaktivierung und konkreten Strategien zur Stressbewältigung würde ihr helfen, gestärkt aus der belastenden Situation hervorzugehen und eine positive berufliche Perspektive zu entwickeln.