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AutorenbildThomas Laggner

Fallgeschichte: "Zwischen zwei Welten - Der Konflikt eines Kindes"

Hintergrund Julia ist 35 Jahre alt und Mutter eines sechsjährigen Jungen, Felix. Sie befindet sich seit mehreren Jahren in einem Konflikt mit ihrem Ex-Partner, dem Vater von Felix. Die beiden Elternteile teilen das Sorgerecht, aber die Beziehung zwischen ihnen ist angespannt und von Misstrauen geprägt. Julia lebt in einer größeren Stadt und arbeitet Vollzeit, während der Vater von Felix in einer kleineren Stadt lebt und regelmäßig das Umgangsrecht wahrnimmt. Felix besucht die erste Klasse und zeigt oft Schwierigkeiten im Umgang mit der Trennungssituation seiner Eltern.


Problematik Felix hat Schwierigkeiten, sich zwischen seinen Eltern zurechtzufinden. Er zeigt deutliche Anzeichen von Stress, wenn er bei seinem Vater bleiben soll. Er berichtet seiner Mutter wiederholt, dass er sich beim Vater unsicher fühlt, da dieser regelmäßig die Türen abschließt, wenn sie zusammen sind. Felix hat Angst davor, nicht flüchten zu können, wenn er sich unwohl fühlt, und äußert den Wunsch, dass seine Mutter in der Nähe bleibt, wenn er seinen Vater besucht. Julia unterstützt Felix so gut sie kann, fühlt sich aber oft machtlos und überfordert, da sie vom Gericht zur Kooperation angehalten wird und Felix’ Ängste nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Julia berichtet, dass Felix immer wieder aggressiv auf seinen Vater reagiert, indem er sich körperlich verteidigt. Sie glaubt, dass dies eine Reaktion auf die gefühlte Ohnmacht ist, die Felix erlebt, wenn er mit dem Vater allein ist. Der Vater hingegen beschwert sich, dass Julia den Kontakt zum Kind behindere und Felix gegen ihn beeinflusse. Julia gibt an, dass sie sich mit ihrer Rolle als Mutter oft alleingelassen fühlt und große Angst hat, dass ihre Erziehungsfähigkeit infrage gestellt werden könnte, wenn Felix den Kontakt zum Vater weiterhin verweigert.


Gerichtliche Auflagen und Anforderungen Das Familiengericht hat entschieden, dass sowohl Felix als auch Julia eine Therapie machen sollen, um Felix den Kontakt zum Vater zu erleichtern. Julia muss in regelmäßigen Abständen an sogenannten Besuchscafés teilnehmen, in denen Felix und sein Vater Zeit miteinander verbringen, während sie anwesend ist. Felix bleibt jedoch bei jeder dieser Gelegenheiten an Julias Seite und klammert sich an sie, was die Beziehung zwischen Vater und Sohn weiter belastet. Julia ist verpflichtet, diese Sitzungen zu begleiten, obwohl sie das Gefühl hat, dass dies Felix nur noch mehr unter Druck setzt.


Zielsetzung Julia möchte, dass Felix lernt, seine eigenen Grenzen zu setzen und sich selbst zu vertrauen, auch wenn sie nicht an seiner Seite ist. Sie wünscht sich für Felix eine sichere Beziehung zu seinem Vater, ohne dass dieser Druck auf ihn ausübt. Für sich selbst wünscht Julia, dass sie lernt, mit den gerichtlichen Auflagen besser umzugehen und dabei Felix' Wohlbefinden nicht aus den Augen zu verlieren. Sie hat auch das Ziel, ihre eigenen Ängste zu bewältigen und Felix nicht unbewusst zu überfürsorglich zu behandeln.


Mögliche Interventionen In der Beratung wurden verschiedene Ansätze diskutiert. Julia wurde ermutigt, Grenzen zu setzen und Selbstfürsorge zu üben, um ihre eigenen Ressourcen zu stärken. Zudem wurde überlegt, Felix mit Methoden der emotionalen Freiheitstechniken (EFT) vertraut zu machen, damit er lernt, seine Ängste zu regulieren. In Rollenspielen wurde auch das Setzen von Grenzen geübt, sowohl für Julia als auch für Felix, um die familiäre Dynamik zu verbessern.


Gruppendiskussion: Fragen zur Fallgeschichte

  1. Identifikation von Glaubenssätzen: Welche Glaubenssätze könnten bei Julia und Felix vorhanden sein, und wie beeinflussen diese ihr Verhalten?

  2. Bindungsmuster: Welche Bindungsmuster erkennt ihr bei Felix im Umgang mit seiner Mutter und seinem Vater? Wie könnten diese Muster die aktuelle Situation beeinflussen?

  3. Rollenverständnis: Welche Rolle nimmt Julia im Leben von Felix ein, und welche Rolle spielt der Vater? Wie wirkt sich diese Rollenverteilung auf Felix' Verhalten und Emotionen aus?

  4. Umgang mit Druck und Kontrolle: Welche Strategien könnte Julia nutzen, um den Druck, den das Gericht und der Vater ausüben, besser zu bewältigen, ohne Felix in seiner Entwicklung zu beeinträchtigen?

  5. Grenzen setzen lernen: Welche Möglichkeiten gibt es, Felix darin zu unterstützen, eigene Grenzen zu erkennen und diese auch gegenüber seinem Vater auszudrücken? Welche Techniken könnten hierbei hilfreich sein?

  6. Eigene Erfahrungen: Wer von euch hat bereits mit ähnlichen Fällen gearbeitet oder kennt vergleichbare Situationen? Wie seid ihr damit umgegangen, und welche Ansätze haben euch geholfen, Lösungen zu finden?

  7. Rolle der Beraterin/des Beraters: Wie kann die Beraterin oder der Berater Julia dabei unterstützen, sowohl für Felix als auch für sich selbst eine stabile Grundlage zu schaffen, um die Herausforderungen zu bewältigen?

  8. Einfluss des Umfeldes: Welche Rolle spielt das familiäre und soziale Umfeld von Julia und Felix in dieser Situation? Welche Unterstützungsangebote könnten genutzt werden, um die Situation zu verbessern?


Ziel der Diskussion Das Ziel der Gruppendiskussion ist es, die Dynamiken innerhalb der Familie zu verstehen und herauszufinden, wie die Berater Julia und Felix effektiv unterstützen können. Die Teilnehmer sollen reflektieren, wie tief verwurzelte Glaubenssätze und Bindungsmuster das Verhalten beeinflussen und welche Interventionsansätze hilfreich sein könnten, um die familiäre Situation zu stabilisieren. Zudem soll die Diskussion dazu beitragen, das Verständnis für die Herausforderungen in Trennungssituationen zu vertiefen und Einfühlungsvermögen zu fördern.


Z-Diagnosen sind sogenannte Zusatzdiagnosen, die im ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision) gelistet sind. Sie werden verwendet, um Faktoren zu klassifizieren, die den Gesundheitszustand des Patienten beeinflussen, aber nicht unbedingt eine Krankheit oder Störung darstellen. Diese Faktoren können sozialer, psychosozialer, umweltbedingter oder allgemeiner gesundheitlicher Natur sein. Sie werden oft im Zusammenhang mit psychotherapeutischen, psychosozialen oder präventiven Maßnahmen verwendet, um die Bedingungen zu beschreiben, die Einfluss auf die Behandlung haben.

Hier eine Übersicht über einige relevante Z-Diagnosen:


Beispiele von Z-Diagnosen im ICD-10:

  1. Z55 - Probleme im Zusammenhang mit der Ausbildung und Alphabetisierung:

    • Z55.0: Probleme im Zusammenhang mit der Alphabetisierung.

    • Z55.3: Lernprobleme im schulischen Umfeld.

  2. Z56 - Probleme im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit:

    • Z56.3: Arbeitsplatzverlust.

    • Z56.4: Arbeitsunsicherheit und -stress.

    • Z56.5: Probleme im Zusammenhang mit unangemessenen Arbeitsbedingungen.

  3. Z59 - Probleme im Zusammenhang mit dem Wohnungs- und Wirtschaftsstatus:

    • Z59.0: Obdachlosigkeit.

    • Z59.1: Ungenügende Wohnverhältnisse.

    • Z59.5: Armut.

  4. Z60 - Probleme im Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld:

    • Z60.0: Anpassungsprobleme an das Leben in einer neuen Umgebung.

    • Z60.2: Probleme aufgrund unzureichender sozialer Unterstützung.

    • Z60.4: Probleme im Zusammenhang mit sozialem Ausschluss und Isolation.

  5. Z63 - Probleme im Zusammenhang mit dem Bezugssystem (Familie, Freunde):

    • Z63.0: Probleme in der Beziehung zu Partnern.

    • Z63.5: Zerbrochene Beziehungen, zum Beispiel Trennung oder Scheidung der Eltern.

    • Z63.6: Probleme im Zusammenhang mit der Pflege einer kranken Person.

  6. Z64 - Probleme im Zusammenhang mit bestimmten psychosozialen Umständen:

    • Z64.0: Probleme im Zusammenhang mit Schwangerschaft.

    • Z64.1: Probleme im Zusammenhang mit multiplen Rollenkonflikten.

  7. Z65 - Probleme im Zusammenhang mit anderen psychosozialen Umständen:

    • Z65.0: Verurteilung durch die Justiz.

    • Z65.3: Probleme im Zusammenhang mit persönlichen Risiken, z.B. gefährliches Verhalten.

    • Z65.5: Probleme im Zusammenhang mit der sozialen Umgebung.

  8. Z70 - Beratung im Zusammenhang mit psychologischen, sozialen oder medizinischen Problemen:

    • Z70.0: Beratung wegen sexueller Haltung oder Orientierung.

    • Z70.3: Beratung in anderen, nicht näher bezeichneten sozialen Situationen.

  9. Z73 - Probleme, die Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung betreffen:

    • Z73.0: Burnout (Zustand der totalen Erschöpfung).

    • Z73.1: Mangel an Entspannungs- und Freizeitmöglichkeiten.

    • Z73.3: Stress, nicht anderweitig klassifiziert.

  10. Z91 - Risikofaktoren in der eigenen Krankengeschichte:

    • Z91.4: Nichtbeachtung ärztlichen Rates.

    • Z91.8: Sonstige Risikofaktoren in der eigenen Krankengeschichte.

  11. Z99 - Abhängigkeit von Unterstützungseinrichtungen:

    • Z99.0: Abhängigkeit von Dialyse.

    • Z99.8: Sonstige Abhängigkeit von Unterstützungseinrichtungen.


Anwendungsbereiche der Z-Diagnosen:

  • Psychosoziale Belastungen: Diese Diagnosen helfen zu dokumentieren, welche psychosozialen oder umweltbedingten Belastungen den Patienten betreffen, z.B. Wohnverhältnisse, Arbeitsplatzprobleme oder familiäre Konflikte.

  • Therapie und Beratung: Sie werden auch verwendet, um den Hintergrund der Behandlung zu dokumentieren, z.B. in der Psychotherapie oder Lebensberatung, insbesondere wenn keine explizite psychische Störung diagnostiziert wurde.

  • Verlauf und Prognose: Durch Z-Diagnosen können auch relevante Begleitumstände festgehalten werden, die für den Verlauf oder die Prognose einer Erkrankung von Bedeutung sein könnten.


Z-Diagnosen sind daher eine wichtige Ergänzung zu den klassischen Diagnosen, da sie die psychosozialen Umstände der Patienten berücksichtigen, die erheblichen Einfluss auf deren Wohlbefinden und die Therapie haben können. Sie unterstützen Berater

und Therapeutdabei, ein umfassenderes Bild der Lebenssituation eines Klienten zu bekommen, was eine gezieltere Intervention ermöglicht.

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