In der Lebens- und Sozialberatung trägst du eine besondere Verantwortung für deine Klienten. Diese Verantwortung kann in bestimmten Situationen zur sogenannten Garantenstellung führen, die dich dazu verpflichtet, aktiv zu handeln, um Schaden zu verhindern. Aber was genau bedeutet das in der Praxis, und wann musst du als Berater eingreifen?
Was ist die Garantenstellung?
Die Garantenstellung ist ein rechtliches Konzept, das im österreichischen Strafrecht verankert ist und eine Handlungspflicht beschreibt. Das bedeutet, dass eine Person in einer bestimmten Position verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Schaden von anderen abzuwenden. Lebens- und Sozialberater können in bestimmten Situationen in eine Garantenstellung geraten, wenn sie Kenntnis von einer Gefährdung haben, die Leben oder Gesundheit ihrer Klienten oder Dritter betrifft.
Quellen:
§ 2 Strafgesetzbuch (StGB): Begehung durch Unterlassung, in dem die Voraussetzungen für eine Garantenstellung festgelegt sind. Mehr dazu findest du im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS): § 2 StGB.
Standes- und Ausübungsregeln für Lebens- und Sozialberater: Diese regeln unter anderem die Verantwortung und Pflichten der Berater, insbesondere in Situationen erhöhter Gefährdung. Weitere Informationen findest du auf der Website der Wirtschaftskammer Österreich (WKO): WKO Standes- und Ausübungsregeln.
Situationen, die zur Garantenstellung führen können
Lebens- und Sozialberater haben meist eine sehr enge Beziehung zu ihren Klienten und stehen in einer besonderen Vertrauensposition. In dieser Rolle kann es zu folgenden Situationen kommen, in denen eine Garantenstellung entsteht:
Suizidale Absichten eines Klienten: Wenn ein Klient ausdrückt, dass er über Suizid nachdenkt oder konkrete Pläne hat, musst du einschreiten. Die Handlungspflicht bedeutet in diesem Fall, dass du geeignete Maßnahmen einleiten musst, um Schaden zu verhindern – zum Beispiel das Verständigen von Notfalldiensten oder das Hinzuziehen anderer Fachkräfte.
Gefährdung anderer Personen: Wenn ein Klient droht, anderen Menschen Schaden zuzufügen, bist du ebenfalls in der Pflicht, das Risiko zu minimieren. Hier kann es notwendig sein, die Polizei oder andere Stellen zu informieren, um die Gefahr abzuwenden.
Missbrauch oder Vernachlässigung: Wenn du Hinweise darauf erhältst, dass ein schutzbedürftiger Mensch – wie ein Kind oder eine ältere Person – vernachlässigt oder misshandelt wird, hast du die Pflicht, diese Informationen weiterzugeben, um den betroffenen Personen Schutz zu gewähren.
Grenzen der Handlungspflicht
Die Garantenstellung kollidiert in der Beratung oft mit der Verschwiegenheitspflicht. Als Lebens- und Sozialberater hast du eine besondere Verpflichtung, die Intimität und Privatsphäre deiner Klienten zu schützen. Dennoch gibt es gesetzliche Ausnahmen, die diese Pflicht brechen können – nämlich dann, wenn eine unmittelbare Gefahr besteht. Wichtig ist es, hier eine sorgfältige Abwägung zu treffen: Ist das Risiko für den Klienten oder andere so groß, dass die Verschwiegenheitspflicht zurückstehen muss?
Die Entscheidung, wann die Grenze erreicht ist, kann schwierig sein. Es ist ratsam, sich in solchen Situationen mit Kollegen oder rechtlichen Fachstellen abzusprechen, um die beste Entscheidung im Interesse aller Beteiligten zu treffen.
Quellen:
Verschwiegenheitspflicht laut Lebens- und Sozialberatungs-Verordnung: Die Regelungen zur Verschwiegenheit und deren Ausnahmen findest du ebenfalls im RIS: Lebens- und Sozialberatungs-Verordnung.
Praktische Umsetzung: Was tun im Ernstfall?
Risikoeinschätzung: Stelle fest, wie konkret die Gefahr ist. Hat der Klient detaillierte Pläne, die er umsetzen möchte? Gibt es Zeitfaktoren, die sofortiges Handeln erforderlich machen?
Beratung und Einbeziehung von Fachstellen: Informiere dich bei Kolleg oder Vorgesetzten und ziehe gegebenenfalls Fachstellen (z. B. Kriseninterventionsteams) hinzu, um sicherzustellen, dass du richtig handelst.
Schutzmaßnahmen einleiten: Das kann das Verständigen von Notdiensten, die Information von Familienangehörigen oder das direkte Eingreifen im Sinne einer Krisenbewältigung beinhalten.
Dokumentation: Führe eine gründliche Dokumentation deiner Wahrnehmungen und Handlungen, um für eine mögliche rechtliche Prüfung vorbereitet zu sein. Notiere, welche Maßnahmen du ergriffen hast und warum.
Quellen:
Informationen zur Krisenintervention und Hilfestellung in Notfällen findest du auf der Seite der österreichischen Wirtschaftskammer: WKO Krisenintervention.
Zusammenfassung: Verantwortung bewusst wahrnehmen
Die Garantenstellung ist ein wichtiger Aspekt der Lebens- und Sozialberatung, der verantwortungsbewusst gehandhabt werden muss. Sie bietet einen rechtlichen Rahmen für Situationen, in denen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Dabei gilt es stets abzuwägen, ob die Verschwiegenheitspflicht verletzt werden darf, um im Ernstfall Schaden zu verhindern. Eine solide Ausbildung und der Austausch mit Fachkollegen sind wesentliche Faktoren, die dabei helfen, diese schwierigen Situationen richtig einzuschätzen.
Checkliste: Garantenstellung in der Lebens- und Sozialberatung
Kenntnis von Gefährdung erlangen
Hat der Klient Aussagen über Suizid, Fremdgefährdung oder Vernachlässigung gemacht?
Einschätzung der Gefahr
Wie konkret und unmittelbar ist die Gefahr?
Gibt es spezifische Pläne oder Anzeichen, die ein sofortiges Handeln erfordern?
Abwägung Verschwiegenheit vs. Handlungspflicht
Besteht eine Ausnahme zur Verschwiegenheitspflicht aufgrund akuter Gefahr?
Kannst du durch dein Handeln einen Schaden verhindern?
Maßnahmen einleiten
Polizei, Notdienste oder Krisenintervention informieren.
Beratung von Kolleg oder rechtlichen Experten einholen.
Dokumentation sicherstellen
Detaillierte Notizen zu den Gesprächen und getroffenen Entscheidungen festhalten.
Welche Schritte wurden eingeleitet, und warum?
Nachbetreuung des Klienten
Wie kann der Klient nach der Krisenintervention weiterhin betreut und stabilisiert werden?
Diese Checkliste soll dir helfen, deine Handlungsschritte klar zu strukturieren, um in kritischen Situationen verantwortlich und professionell zu handeln.
Quellen:
Die rechtlichen Grundlagen zur Dokumentation und weiteren Pflichten für Lebens- und Sozialberater sind auf der Website der Wirtschaftskammer Österreich verfügbar: WKO Dokumentationspflichten.