Wie unterscheidet die WHO zwischen psychisch kranken und gesunden Menschen?
Die World Health Organization (WHO) definiert psychische Gesundheit als einen Zustand des Wohlbefindens, bei dem eine Person in der Lage ist, ihr Potenzial auszuschöpfen, mit den normalen Belastungen des Lebens umzugehen, produktiv zu arbeiten und einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Psychische Gesundheit wird also als umfassender, multidimensionaler Zustand beschrieben, der über das bloße Fehlen von psychischen Störungen hinausgeht.
Die Unterscheidung zwischen „Kranken“ und „Gesunden“ erfolgt nach dem ICD-10, dessen Kapitel über „psychische und Verhaltensstörungen“ spezifische Kriterien festlegt. Psychische Störungen werden als Erkrankungen verstanden, bei denen begleitende psychische Auffälligkeiten auftreten, die oft auf eine zugrunde liegende körperliche oder psychische Störung hinweisen.
Es gibt vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine psychische Störung diagnostizieren zu können:
Devianz: Dies bezieht sich auf Abweichungen von den Normen und Wertvorstellungen der Gesellschaft.
Leidensdruck: Ein subjektives Gefühl von Unwohlsein oder Leid.
Beeinträchtigung: Probleme bei der Bewältigung des Alltags, die signifikant sind.
Gefährdung: Eine potenzielle Gefährdung der eigenen Person oder anderer (z.B. Selbst- oder Fremdgefährdung).
Die Ausprägung dieser vier Komponenten der Abnormalität kann individuell stark variieren. Sie stehen oft in Wechselwirkung zueinander und müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Erst wenn alle Kriterien zutreffen, wird von einer psychischen Störung oder Krankheit gesprochen.
Psychische Störungen, im Gegensatz dazu, sind gekennzeichnet durch signifikante Störungen des Denkens, Fühlens, Verhaltens oder der Wahrnehmung, die mit Leiden oder Beeinträchtigungen in wichtigen Funktionsbereichen wie Arbeit, Beziehungen oder Selbstpflege einhergehen. Dazu zählen eine Vielzahl von Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Schizophrenie, Bipolare Störungen und viele weitere, die jeweils unterschiedliche Symptome und Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben.
Zur Identifikation und Klassifikation dieser Störungen verwendet die WHO die International Classification of Diseases (ICD). Dieses System beschreibt psychische Störungen anhand spezifischer Diagnosekriterien, die international angewendet werden. Es bietet eine standardisierte Grundlage für die Beurteilung und Behandlung psychischer Erkrankungen.
Wichtig ist jedoch zu betonen, dass psychische Gesundheit und psychische Krankheit nicht als binäre Gegensätze betrachtet werden sollten. Stattdessen bewegen sich alle Menschen auf einem Kontinuum, das sich von völliger psychischer Gesundheit bis hin zu schweren psychischen Störungen erstrecken kann. Im Laufe des Lebens kann jeder Mensch Phasen psychischer Belastung oder Schwierigkeiten erleben. Frühe Intervention und Unterstützung können dabei helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen und die psychische Gesundheit zu fördern.
In Österreich spielen Lebens- und Sozialberater eine wichtige Rolle im Bereich der psychosozialen Unterstützung. Sie dürfen keine psychotherapeutischen Tätigkeiten ausüben, aber sie bieten Beratung und Begleitung in Lebenskrisen und psychosozialen Problemen an, die nicht das Ausmaß einer diagnostizierbaren psychischen Erkrankung erreichen. Zu ihren Aufgaben zählen:
Beratung und Begleitung bei persönlichen, sozialen und beruflichen Problemen,
Unterstützung bei der Entwicklung von Selbstbewusstsein und persönlicher Stärke,
Vermittlung von Konfliktlösungsstrategien und Kommunikationsfähigkeiten,
Begleitung in Krisensituationen wie Trauer, Trennung oder Verlust,
Coaching und Beratung für Unternehmen und Organisationen.
Die Z-Diagnosen nach ICD-10 sind für Lebens- und Sozialberater relevant, da sie sich mit nicht pathologischen, aber dennoch belastenden Situationen auseinandersetzen. Dazu gehören z.B. Probleme im sozialen Umfeld, berufliche Konflikte oder familiäre Schwierigkeiten, die eine Beratung erfordern, ohne eine psychische Erkrankung im klinischen Sinne darzustellen.
Lebens- und Sozialberater in Österreich dürfen diese Probleme beraten und unterstützen, aber sie sind gesetzlich eingeschränkt in der Diagnose und Behandlung von psychischen Störungen, die spezifische psychotherapeutische Maßnahmen erfordern.
MEMORANDUM 2013
Das Memorandum hat eine zentrale Bedeutung für Lebens- und Sozialberater, da es als rechtliches Gutachten dient, das Klarheit über ihre beruflichen Befugnisse und Grenzen schafft. Hier sind die wichtigsten Bedeutungen des Memorandums im Überblick:
1. Rechtssicherheit und Abgrenzung zu anderen Berufen
Das Memorandum klärt die rechtliche Abgrenzung zwischen der Lebens- und Sozialberatung und anderen Gesundheitsberufen, insbesondere den Klinischen Psychologen und Psychotherapeuten. Es stellt klar, dass Lebens- und Sozialberater psychisch gesunde Menschen beraten dürfen, während die Behandlung von psychisch kranken Menschen den Psychologen und Psychotherapeuten vorbehalten bleibt. Diese Unterscheidung ist essenziell, um Missverständnisse in der Praxis zu vermeiden.
2. Bestätigung der Berufsbefugnisse
Das Memorandum betont, dass das Psychologengesetz 2013 keine neuen Einschränkungen für Lebens- und Sozialberater mit sich bringt. Im Gegenteil, die bisherigen Befugnisse bleiben unberührt, und Lebensberater dürfen weiterhin psychologische Beratung anbieten, solange diese sich auf psychisch gesunde Menschen bezieht. Diese Klarstellung ist besonders wichtig für die Ausübung des Berufs und schafft Vertrauen, dass keine unerwarteten gesetzlichen Einschränkungen eingeführt wurden.
3. Verhinderung von Einschränkungen
Eine wichtige Bedeutung des Memorandums liegt in der präventiven Wirkung. Es zeigt auf, dass es kein öffentliches Interesse gibt, die Berufsbefugnisse der Lebens- und Sozialberater zu beschränken. Sollte es dennoch zu Versuchen kommen, diese einzuschränken, bietet das Memorandum Argumente, die verfassungsrechtlich geschützt sind. Es stärkt somit die rechtliche Position der Lebens- und Sozialberater und kann in zukünftigen rechtlichen Auseinandersetzungen als Referenz dienen.
4. Unterstützung in der Praxis
Für Lebensberater bietet das Memorandum eine wertvolle Grundlage, um die eigenen Tätigkeiten gegenüber Klienten, Kollegen und anderen Berufsgruppen zu verteidigen und zu erklären. Es gibt den Beratern einen klaren Leitfaden, was sie tun dürfen und wo ihre Grenzen liegen. Zudem können sie auf das Memorandum verweisen, wenn es zu Unsicherheiten in der Praxis kommt, etwa bei der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen.
5. Stärkung des Berufsbildes
Das Memorandum trägt zur Stärkung des Berufsbildes der Lebens- und Sozialberater bei, indem es ihre Bedeutung im Bereich der psychologischen Beratung und der Gesundheitsförderung betont. Es unterstreicht, dass ihre Arbeit wertvoll und notwendig ist, vor allem im Bereich der Beratung und Betreuung psychisch gesunder Menschen. Dies kann dazu beitragen, das Ansehen des Berufs zu verbessern und zu verdeutlichen, dass Lebens- und Sozialberatung einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung leistet.
Das Dokument liefert eine detaillierte rechtliche Analyse und stärkt die Position der Lebens- und Sozialberater, insbesondere in Bezug auf ihre Beratungsbefugnisse und die klare Trennung von klinischen Tätigkeiten.