1. Das "Teilemodell" im NLP
Das Teilemodell im NLP (Neurolinguistisches Programmieren) erklärt die Komplexität der menschlichen Psyche und bietet einen Einblick in deren innere Struktur. Es liefert einen differenzierten Einblick in die Funktionsweise menschlichen Verhaltens und zeigt, wie verschiedene Persönlichkeitsanteile miteinander interagieren, um Entscheidungen, Handlungen und Emotionen zu beeinflussen. Es ist von zentraler Bedeutung für die praktische Anwendung des NLP, da es die Mechanismen verdeutlicht, die den vielfältigen und oft widersprüchlichen Handlungen eines Individuums zugrunde liegen.
Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass die menschliche Persönlichkeit aus einer Vielzahl von (häufig unbewussten) Anteilen besteht, die jeweils eine spezifische Funktion und Intention verfolgen. Diese Teile manifestieren sich häufig in alltäglichen sprachlichen Wendungen wie:
"einerseits - andererseits"
"etwas in mir zwingt (oder bremst) mich..."
"In dem Moment war ich nicht ich selbst."
"Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust."
"Ja, aber..."
Beispiele für diese Persönlichkeitsanteile sind:
Ein Teil, der dafür verantwortlich ist, dass ich morgens aufstehe,
Ein Teil, der dafür verantwortlich ist, dass ich manchmal verschlafe,
Ein Teil, der dafür verantwortlich ist, dass ich rauche,
Ein Teil, der dafür verantwortlich ist, dass ich auf Kritik wütend reagiere,
Ein Teil, der dafür verantwortlich ist, dass ich kreativ sein kann, usw.
Innerhalb des NLP wird angenommen, dass jeder dieser Teile in seinem Handeln einer positiven Absicht folgt – auch wenn das resultierende Verhalten nicht immer als adaptiv oder sozial erwünscht angesehen wird. Der Ansatz, diese Anteile zu würdigen, beginnt mit der Identifikation und Anerkennung ihrer positiven Intention.
Zum Beispiel könnte man einen Anteil, der durch Wut auf Kritik reagiert, fragen: 'Was willst du für mich erreichen?' Die Antwort könnte lauten, dass dieser Teil versucht, die eigene Würde zu schützen. Durch diese Anerkennung wird deutlich, dass auch hinter einer scheinbar negativen Reaktion eine wohlwollende Absicht steckt. Dies geschieht durch die direkte Kommunikation mit dem jeweiligen Persönlichkeitsanteil, etwa durch Fragen wie: "Was versuchst du für mich zu erreichen?" oder "Wie willst du mir helfen?".
Diese Würdigung der positiven Intention fördert eine tiefere Versöhnung mit dem Verhalten und ermöglicht eine Transformation des Verhältnisses zu diesem Persönlichkeitsanteil.
Im Anschluss daran werden alternative Strategien identifiziert, die eine konstruktivere Erfüllung der ursprünglichen positiven Absicht ermöglichen. Das Ziel ist es, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Persönlichkeitsanteilen zu schaffen, sodass keine destruktiven Dynamiken das Gesamtsystem dominieren. Ein harmonischer Mensch lebt gemäß diesem Modell in Einklang mit allen Persönlichkeitsanteilen.
Wie bei allen NLP-Modellen geht es beim Teilemodell weniger um die Frage nach einer objektiven "Wahrheit" oder "Realität", sondern vielmehr um die pragmatische Überlegung, inwieweit dieses Modell hilft, persönliche Entwicklungsziele zu erreichen und eine höhere innere Kohärenz zu fördern.
2. Die Vorannahmen
Die folgenden Grundannahmen sind essenziell, um das Reframing-Konzept im NLP auf einer fundierten Ebene zu verstehen. Sie bilden die theoretische Basis, die das Hinterfragen und die Neuinterpretation von Verhaltensweisen und deren zugeschriebenen Bedeutungen ermöglicht.
Beim Reframing im NLP wird von folgenden Grundannahmen ausgegangen, die essenziell sind, um das Konzept des Reframings als eine transformative Technik zu verstehen. Diese Annahmen bieten die Grundlage für das Hinterfragen und die Neubewertung von Verhaltensweisen.
Jedes Verhalten ist in irgendeinem Kontext sinnvoll.
Jedem Verhalten wird eine Bedeutung zugeschrieben.
Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht.
Probleme entstehen unter den folgenden Bedingungen:
Wenn ein Verhalten in einem unpassenden Kontext auftritt, d. h. wenn eine Verhaltensweise in andere Kontexte übertragen wird, für die sie ungeeignet ist,
Wenn einem Verhalten eine inadäquate oder unpassende Bedeutung zugeschrieben wird,
Wenn die zugrunde liegende positive Intention des Verhaltens nicht von der Verhaltensweise selbst differenziert wird.
Der Begriff "Verhalten" umfasst hierbei:
Beobachtbare Verhaltensweisen (z. B. was genau tut eine Person?),
Beobachtbare physiologische Merkmale (Hautfarbe, Haltung, Mimik, Gestik etc.),
Innere Prozesse (innere Bilder, Geräusche, Stimmen, Gefühle, Emotionen etc.).
Basierend auf diesen Grundannahmen unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten des Reframings (bzw. Perspektivenwechsels):
Kontextreframing
Hierbei wird ein unerwünschtes Verhalten in einen Kontext eingeordnet, in dem es eine positive Funktion erfüllen kann. Alternativ wird ein neues Verhalten entwickelt, das besser in den ursprünglichen "Problemkontext" passt.
Bedeutungsreframing
In diesem Ansatz wird die Bedeutung eines als problematisch empfundenen Verhaltens neu interpretiert. Das Verhalten selbst bleibt unverändert, jedoch wird es in einem neuen Licht betrachtet und erhält dadurch eine positivere Bedeutung.
3. Die grundlegenden Ebenen des Umdeutens: Kontext- und Bedeutungsreframing
Bedeutungs- und Kontextreframing sind die zentralen Paradigmen des kreativen Umdeutens. Beide Methoden sind wichtig, weil sie es ermöglichen, Verhaltensweisen oder Situationen in einem neuen Licht zu betrachten, was zu einer nachhaltigeren Veränderung der emotionalen Reaktion und des Verhaltens führen kann. Kontext- und Bedeutungsreframing schaffen Raum für flexibles Denken und eröffnen neue, oft positivere Interpretationen von Erlebnissen, die zuvor als belastend oder hinderlich empfunden wurden. Beide Ansätze werden typischerweise durch gezielte verbale Interventionen implementiert. Klassische Interventionen beinhalten Fragen wie: "Welche positive Absicht steckt hinter diesem Verhalten?" oder "In welchem Kontext könnte dieses Verhalten hilfreich sein?" Solche Fragen schaffen Raum für neue Perspektiven und ermöglichen die Entwicklung alternativer Bedeutungen.
Eine typische Klage, die aufgrund von Meta-Modell-Verletzungen verzerrt ist, wird im Reframing-Prozess durch eine neue Deutung modifiziert. Ein Beispiel für Bedeutungsreframing ist das Erkennen und Hervorheben der positiven Konsequenzen eines als problematisch erlebten Verhaltens oder Symptoms, etwa eines sogenannten sekundären Gewinns.
Beispiele für Bedeutungsreframing:
Das unerwünschte Phänomen einer Krankheit könnte zum Beispiel folgende nützliche Effekte und verborgene positive Intentionen haben:
Es bietet die Möglichkeit, sich endlich um sich selbst zu kümmern, sich Zeit für sich zu nehmen oder eine notwendige Pause einzulegen.
Man erfährt Zuwendung und Aufmerksamkeit von Freunden oder der Familie.
Es dient als Signal (positive Absicht), grundlegende Veränderungen im Lebensstil vorzunehmen.
Beim Kontextreframing hingegen wird ein unerwünschtes Verhalten oder Zustand in einen Kontext eingeordnet, in dem es eine funktionale Bedeutung hat. Ein Schauspieler, der während der Vorbereitung seiner Rolle "zu aufgeregt" ist, könnte diese Aufregung als kreative Energie umdeuten, die es ihm ermöglicht, eine authentischere und kraftvollere Performance zu erbringen. In bestimmten Kontexten, wie etwa vor einem langersehnten Rendezvous, kann Aufregung sogar als angenehm und positiv erlebt werden.
Reframing als therapeutische Intervention
Reframing wird nicht nur im NLP verwendet, sondern findet auch in anderen psychotherapeutischen Ansätzen wie der systemischen Therapie und der kognitiven Verhaltenstherapie Anwendung. NLP modellierte diese therapeutischen Ansätze, indem es deren Prinzipien der Neudeutung und positiven Umdeutung in seine Methoden integrierte. Dadurch wurden die theoretischen Grundlagen dieser Ansätze zu einem wesentlichen Bestandteil der Reframing-Techniken im NLP.
In der systemischen Therapie wird Reframing verwendet, um dysfunktionale Sichtweisen innerhalb von Beziehungssystemen in alternative, hilfreichere und konstruktivere Bedeutungen zu transformieren.
Ein Beispiel hierfür ist die Umdeutung der Aussage "Ich bin immer derjenige, der alles machen muss" zu "Meine Familie vertraut mir und meinen Fähigkeiten sehr".
In der kognitiven Verhaltenstherapie wird Reframing genutzt, um dysfunktionale Gedankenmuster zu hinterfragen und durch realistischere, adaptivere Kognitionen zu ersetzen. Der Gedanke "Ich werde niemals erfolgreich sein" kann etwa durch "Ich habe bereits viele kleine Erfolge erzielt, und jeder Schritt bringt mich weiter" ersetzt werden.
Der Reframing-Ansatz basiert auf der Prämisse, dass Ereignisse oder Verhaltensweisen an sich weder objektiv gut noch schlecht sind. Es sind die individuellen Interpretationen, die solchen Ereignissen ihre Bedeutung verleihen.
Ziel des Reframings ist es, die Interpretation zu verändern, sodass eine neue, konstruktivere Perspektive auf die Situation eingenommen werden kann.
Zum Beispiel könnte jemand, der in einer sozialen Situation Ablehnung erfährt, diese zunächst als persönlichen Misserfolg interpretieren. Durch Reframing könnte diese Erfahrung jedoch als Lernchance betrachtet werden, um soziale Fähigkeiten zu verbessern und zukünftige Interaktionen erfolgreicher zu gestalten. Eine veränderte Interpretation kann somit zu einer positiven Veränderung im Verhalten führen, da der Fokus von der negativen Bewertung auf das Potenzial zur Weiterentwicklung gelenkt wird.
Zitate und Vorbilder für Reframing
Die Ideen für die Methoden des Reframings stammen aus verschiedenen psychologischen und therapeutischen Ansätzen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt wurden. Diese Ansätze dienten als Modell für die Entwicklung von NLP, indem sie zentrale Prinzipien wie die Neudeutung von Verhaltensweisen und die Förderung positiver Veränderungen integrierten.
Virginia Satir: Als Pionierin der systemischen Familientherapie betonte sie die Bedeutung der Neudeutung (Reframing) von Verhaltensweisen innerhalb familiärer Beziehungen, um eine bessere Dynamik zu schaffen.
Milton H. Erickson: Der Hypnotherapeut setzte Reframing in seinen hypnotischen Techniken ein, um Menschen zu ermutigen, neue Perspektiven auf ihre Probleme zu gewinnen.
Fritz Perls und die Gestalttherapie: Diese Ansätze betonen die Bedeutung des ganzheitlichen Verstehens und der Umdeutung von Erfahrungen, um die Selbstregulierung zu fördern und individuelle Ressourcen zu aktivieren.