Fallgeschichte: Die Klientin, hier genannt "Lisa", ist Mitte 50 und kämpft mit innerer Unruhe, Ängsten und einem ständigen Gedankenkreisen. Besonders belastend sind familiäre Herausforderungen, insbesondere Sorgen um den Enkel und die Gesundheit des Partners, sowie berufliche Unsicherheiten. Lisa hat den Versuch unternommen, ihre Medikamentendosis zu reduzieren, jedoch ohne Erfolg. Um mit ihrer Unruhe umzugehen, greift sie häufig auf automatisierte Rituale zurück, wie das Rauchen. Trotz ihrer Schwierigkeiten ist Lisa motiviert, an ihrer Situation zu arbeiten und sucht nach kleinen positiven Veränderungen, die ihr helfen könnten. Ihre Therapeutin unterstützt sie durch Ressourcenaktivierung und Techniken zur Gedankenunterbrechung.
2. Supervision des Gesprächs
Inhaltliche Ebene: Das Gespräch beleuchtet mehrere zentrale Themen der Klientin "Lisa", wie familiäre und berufliche Belastungen, die ständige innere Unruhe sowie Versuche, ihre Medikamentation zu verändern. Lisa fühlt sich durch ihre Symptome in ihrer Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Sie beschreibt ihre Unruhe als "komische Gedanken", die irrational erscheinen, was auf einen hohen Grad an Verzweiflung und Kontrollverlust hindeutet. Die Herausforderung, Kontrolle zu gewinnen, zeigt die Schwierigkeiten, sich von psychischen Abhängigkeiten und Gewohnheiten zu lösen.
Prozessuale Ebene: Die Therapeutin fokussiert sich darauf, Lisa dazu zu bringen, positive Erlebnisse und kleine Fortschritte zu erkennen, um eine stabilere Basis zur Bewältigung ihrer Ängste zu schaffen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Ressourcenaktivierung: Lisa soll kleine, positive Momente erkennen und kultivieren, um ihre Resilienz zu stärken. Außerdem wird reflektiert, wie Routinen, wie etwa das Rauchen in Verbindung mit dem Kaffee, sowohl stabilisierend als auch problematisch wirken können.
Beziehungsebene: Die Therapeutin agiert mit einer respektvollen, empathischen Haltung. Sie stärkt Lisas Selbstwirksamkeit, indem sie sie immer wieder darauf hinweist, dass sie "selbstbestimmt und frei" ist. Diese respektvolle Haltung ermutigt Lisa, ihre Erfahrungen offener zu teilen und lässt Raum für Reflexion. Die Therapeutin verwendet humorvolle und wertschätzende Kommentare, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und Lisa in ihrem Prozess zu unterstützen.
Interventionen und Techniken:
Ressourcenaktivierung: Die Therapeutin ermutigt Lisa, ihre positiven Momente zu erkennen und zu pflegen, etwa das bewusste Genießen einer Zigarette oder einer Tasse Kaffee.
Gedankenunterbrechungstechniken: Es werden spezifische Methoden wie Kopfrechenübungen vorgeschlagen, um ängstliche Gedanken zu unterbrechen und Lisas Fokus umzulenken.
Achtsamkeit und Akzeptanz: Lisa wird ermutigt, ihre kleinen Rituale bewusst zu genießen und diese als "geistige Heilmittel" zu akzeptieren, um daraus positive Ressourcen zu entwickeln.
3. Auswahl zentraler Dialoge für Ausbildungszwecke
Zentrale Dialoge zur Veranschaulichung von Mikroprozessen:
Selbstwirksamkeit und Autonomie: "Du bist selbstbestimmt und frei." - Dieser Satz zeigt, wie die Therapeutin versucht, die Selbstwirksamkeit der Klientin zu fördern.
Ressourcenaktivierung: "Auf die Fortschritte auch zu achten. Das ist die Aufgabe. Immer wieder." - Dieser Dialog unterstreicht die Bedeutung der Ressourcenaktivierung.
Unterbrechung von Gedankenschleifen: "Wenn so eine Sorge kommt, so eine Angst, und wenn es ein Klicker ist, wie man für den Hund trainieren verwendet. Wenn so ein Gedanke kommt, einfach unterbrechen." - Dies illustriert, wie konkrete Verhaltenstechniken zur Gedankenunterbrechung vermittelt werden.
Benennung der Gefühle: "Was genau fühlst du in diesem Moment?" - Dieser Satz soll Lisa helfen, ihre Gefühle präziser zu erkennen und zu benennen.
Normalisierung der Angst: "Es ist völlig in Ordnung, dass solche Gedanken auftauchen, jeder erlebt das mal." - Dies dient dazu, Lisa das Gefühl zu geben, dass ihre Ängste normal und nicht ungewöhnlich sind.
Verstärkung der positiven Entwicklung: "Ich sehe, dass du dir mehr Zeit für dich selbst nimmst. Das ist großartig." - Die Therapeutin verstärkt positive Veränderungen im Verhalten der Klientin.
Umdeutung der Situation: "Kannst du diese Situation vielleicht auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten?" - Dieser Dialog hilft Lisa, neue Perspektiven auf ihre Probleme zu gewinnen.
Ermutigung zur Selbstreflexion: "Was würde dir helfen, dich in diesem Moment sicherer zu fühlen?" - Dies dient dazu, die Selbstreflexion zu fördern und Lisa zu ermutigen, eigene Lösungswege zu finden.
Anwendung von Achtsamkeitsübungen: "Versuche jetzt einfach, dich auf deinen Atem zu konzentrieren. Lass die Gedanken kommen und gehen." - Eine einfache Achtsamkeitsübung, die Lisa im Moment hilft, sich zu beruhigen.
Stärkung der Autonomie: "Du entscheidest selbst, welchen Weg du gehen möchtest." - Dieser Satz soll Lisa ihre Entscheidungsfreiheit bewusst machen und ihre Autonomie stärken.
Verbindung zur Körperwahrnehmung: "Was spürst du gerade in deinem Körper? Gibt es eine bestimmte Stelle, die sich besonders bemerkbar macht?" - Diese Frage soll Lisa helfen, sich stärker mit ihrem Körpergefühl zu verbinden.
Erforschung des Vermeidungsverhaltens: "Was passiert, wenn du diesen Gedanken einfach zulässt, ohne ihn zu bewerten?" - Diese Frage dient dazu, Lisas Vermeidungsverhalten zu reflektieren und ihr zu helfen, mehr Akzeptanz zu entwickeln.
Verbalisierung des inneren Dialogs: "Was sagst du dir in diesen Momenten selbst?" - Die Therapeutin hilft Lisa, den inneren Dialog zu erkennen, der möglicherweise ihre Ängste verstärkt.
Ermutigung zur sozialen Unterstützung: "Wer könnte dich in dieser Situation unterstützen?" - Dieser Satz dient dazu, Lisa zu ermutigen, sich Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld zu suchen.
4. Identifikation relevanter ICD-10-Diagnosen und Vergleich mit ICD-11
Relevante ICD-10-Diagnosen:
F41.1 Generalisierte Angststörung: Die ständige innere Unruhe, Ängste und das Gedankenkreisen deuten auf eine generalisierte Angststörung hin.
F32.1 Mittelgradige depressive Episode: Die emotionalen Schwankungen und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit sind typisch für eine depressive Episode.
Z63.0 Probleme in Beziehung zum Lebenspartner: Lisas familiäre Belastungen, insbesondere die Sorge um den Partner, weisen auf soziale Belastungsfaktoren hin.
**Vergleich mit ICD-11:
Die Einführung der ICD-11 begann offiziell im Januar 2022. Die Umsetzung erfolgt schrittweise in den jeweiligen Ländern und es wird erwartet, dass die ICD-11 die ICD-10 nach und nach ablöst. Dieser Übergangsprozess kann mehrere Jahre dauern, da die Gesundheitssysteme Zeit zur Anpassung benötigen.**
In der ICD-11 wird die generalisierte Angststörung unter der Kategorie 6B00 Generalisierte Angststörungaufgeführt. Der Fokus liegt weiterhin auf übermäßiger Angst und Sorge, jedoch wird betont, dass die Symptome einen erheblichen Leidensdruck verursachen müssen.
Die depressive Episode in der ICD-11 (6A70) unterscheidet sich nicht grundlegend von der F32 in der ICD-10, jedoch sind hier spezifischere Schweregrade und deren funktionale Auswirkungen definiert.
Soziale Belastungen wie die Probleme in der Beziehung fallen unter die Kategorie QE10 Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen, wobei in der ICD-11 die Bezüge umfassender erklärt werden, um die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit deutlicher zu machen.
In Phasen starker innerer Unruhe fällt es oft schwer, dem Gedankenkreisen zu entkommen. Besonders Menschen, die familiäre und berufliche Belastungen erleben, fühlen sich häufig überfordert. Lisa, eine Frau Mitte 50, kennt diese Situation gut: ständige Sorgen, eine innere Unruhe, die schwer zu kontrollieren ist, und das Gefühl, festzustecken.
In ihrer Therapie lernte Lisa, wie wichtig es ist, auch kleinste positive Momente wahrzunehmen und diese aktiv zu pflegen. Rituale wie der morgendliche Kaffee auf der Terrasse oder das bewusste Rauchen einer Zigarette können helfen, sich in achtsamen Momenten zu verankern. Diese positiven Gewohnheiten geben Struktur und wirken wie kleine Inseln der Ruhe im Alltag.
Zusätzlich hat ihre Therapeutin ihr beigebracht, Gedankenunterbrechungen zu nutzen, was als wichtige Methode im Kontext der Lebensberatung vermittelt werden kann. Eine Kopfrechenübung wie „13 mal 28“ hilft, den Fokus umzulenken und das Gedankenkreisen zu stoppen. Diese Technik ist einfach, aber effektiv und ermöglicht es, das Gehirn aus der Sorgenfalle zu befreien.
Ein wichtiger Schritt für Lisa war auch, die Bedeutung der Selbstwirksamkeit zu verstehen. Indem sie sich auf ihre eigenen Stärken besinnt und auf positive Entwicklungen achtet, gewinnt sie das Gefühl zurück, ihr Leben wieder unter Kontrolle zu haben.
Lehrziel: Innere Unruhe und Gedankenkreisen sind belastend, aber sie lassen sich beeinflussen. Kleine Rituale und bewusste Gedankenunterbrechungen können helfen, wieder mehr Ruhe und Kontrolle zu finden. Es sind oft die kleinen Schritte, die uns in schwierigen Zeiten am meisten weiterhelfen. Das Lehrskript soll zukünftigen Lebensberaterinnen und Lebensberatern zeigen, wie einfache Techniken große Veränderungen im Umgang mit belastenden Gedanken bewirken können.