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AutorenbildThomas Laggner

Gruppendynamik in der personzentrierten Gruppenarbeit

Und der Wert eines gemeinsamen Verhaltenskodex

Selbstsicherheit in Gruppenarbeit: Wie ein gemeinsamer Verhaltenskodex uns unterstützen kann.

In Einzelsitzungen fühlen wir uns oft sicher und haben das Gefühl, den Raum gut einnehmen zu können. Aber sobald wir uns in einer Gruppe befinden, kann dieses Selbstbewusstsein plötzlich wanken. Vielleicht kennen auch einige von euch das Gefühl: In einer Gruppe fällt es uns schwerer, klar und deutlich unsere Gedanken zu vermitteln, während es im Einzelsetting ganz natürlich gelingt.


Diese Erfahrung hat ein Teilnehmer kürzlich mit mir im persönlichen Gespräch geteilt. Er hat den Wunsch geäußert, dass wir gemeinsam einen Verhaltenskodex erarbeiten, der uns alle dabei unterstützt, sicherer und respektvoller miteinander umzugehen. Ein Verhaltenskodex schafft nicht nur klare Rahmenbedingungen für die Gruppenarbeit, sondern stärkt auch das Gefühl von Zusammenhalt und Achtsamkeit.


Warum ist Gruppenarbeit oft herausfordernder?


Wenn wir uns in einer Gruppe befinden, fühlen wir uns manchmal beobachtet oder bewertet. Wir vergleichen uns mit den anderen, was dazu führen kann, dass wir an Selbstsicherheit verlieren. In Gruppensituationen gibt es auch mehr Meinungen und Dynamiken, die manchmal das Gefühl verstärken, nicht gehört oder verstanden zu werden.


Doch genau hier liegt die Chance: Gruppen bieten uns die Möglichkeit, voneinander zu lernen, einander zu unterstützen und gemeinsam zu wachsen. Wenn wir achtsam miteinander umgehen und klare Regeln für den Umgang miteinander haben, kann Gruppenarbeit zu einer wertvollen Erfahrung werden.


Der Wert eines Verhaltenskodex für die Gruppe


Ein Verhaltenskodex gibt uns Leitlinien für den respektvollen Umgang miteinander. Diese Regeln helfen uns, die Sicherheit und Achtsamkeit in der Gruppe zu stärken. Indem wir gemeinsam festlegen, wie wir miteinander arbeiten wollen, schaffen wir ein Umfeld, in dem sich jeder gehört und respektiert fühlt.


**Hier sind einige Vorschläge, die wir in unserer Gruppe erarbeiten könnten:**


- **Respektvolles Zuhören**: Jeder sollte die Möglichkeit haben, auszusprechen, ohne unterbrochen zu werden. Achtsam zuzuhören bedeutet, präsent zu sein, ohne sofort zu reagieren.


- **Nicht in andere Prozesse einmischen**: Jeder von uns durchläuft individuelle Prozesse und hat eigene Bedürfnisse. Indem wir uns nicht ungefragt in die Prozesse anderer einmischen, respektieren wir ihren Weg und geben ihnen den Raum, den sie benötigen.


- **Achtsamkeit in der Kommunikation**: Pausen schaffen Raum zum Nachdenken und sorgen dafür, dass unsere Worte mit Respekt und Bedacht gewählt sind.


- **Keine ungebetenen Ratschläge**: Jeder hat seinen eigenen Weg. Ratschläge sollten nur dann gegeben werden, wenn sie ausdrücklich gewünscht sind.


Wie stärkt uns der Verhaltenskodex?


Ein Verhaltenskodex schafft Orientierung und Klarheit. Wir fühlen uns sicherer, weil wir wissen, dass bestimmte Regeln für alle gelten. Dies stärkt nicht nur das Vertrauen in die Gruppe, sondern auch in uns selbst. Der Kodex sorgt dafür, dass die Gruppe ein sicherer Raum bleibt, und wir übernehmen Verantwortung füreinander. Diese Verbindlichkeit stärkt das Miteinander und sorgt dafür, dass wir alle wachsen können.


Übungen für mehr Selbstsicherheit in der Gruppe


Nachdem wir unseren Verhaltenskodex erarbeitet haben, können wir uns mit Übungen beschäftigen, die uns helfen, uns in Gruppensituationen wohler zu fühlen. Hier einige Ansätze:


1. **Feedback-Runden**: In kleinen Gruppen üben wir, kurze Präsentationen zu halten und erhalten respektvolles Feedback. Dies stärkt unser Selbstvertrauen.


2. **Stille-Runden**: Jeder hat die Möglichkeit, für eine kurze Zeit zu sprechen, während die anderen schweigen und zuhören. Diese Übung fördert das Gefühl, gehört zu werden.


3. **Rollentausch**: Jeder übernimmt einmal die Rolle der Gruppenleitung. Dies stärkt das Verständnis für Gruppenprozesse und fördert die Präsenz.


Gemeinsam wachsen

Gruppenarbeit kann herausfordernd sein, aber sie bietet enormes Potenzial. Indem wir gemeinsam einen Verhaltenskodex erarbeiten, schaffen wir die Grundlage für eine respektvolle und achtsame Zusammenarbeit. Der Kodex unterstützt uns dabei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der wir alle gehört und respektiert werden.


Und zur Diskussion möchte ich nun Carl R. Rogers Beitrag über eine personzentrierte Gruppe darlegen und die Frage anregen, wie ein Verhaltenskodex dazu passen könnte.


Das Buch „Encounter Groups“ von Carl Rogers (1970) widmet sich den Gruppenprozessen und der Dynamik, insbesondere in Begegnungsgruppen, die als Teil des humanistischen Ansatzes in der Psychotherapie entstanden sind. Rogers beschreibt darin, wie die Begegnung zwischen Menschen in einer Gruppe eine **transformative Wirkung** haben kann und wie der Prozess der **Selbstentfaltung** in einem sicheren Umfeld gefördert wird.



Rogers beschreibt, dass **Gruppendynamik** einen starken Einfluss auf das Wachstum und die Veränderung der Teilnehmer hat. In einer gut geführten Gruppe entsteht eine Atmosphäre des **Vertrauens und der Offenheit**, in der sich jeder sicher genug fühlt, seine wahren Gefühle und Gedanken auszudrücken.


> „Wenn Individuen in einer Gruppe sich gegenseitig als reale Menschen sehen, die Fehler, Stärken und Unsicherheiten haben, entsteht ein tiefes Verständnis. Dieses Verständnis und die bedingungslose Akzeptanz fördern das persönliche Wachstum.“


Ein wichtiger Aspekt ist die **Selbstverantwortung** jedes Teilnehmers. Jeder übernimmt Verantwortung für sein eigenes Verhalten und seine Reaktionen. Rogers sieht es als entscheidend an, dass die Gruppenmitglieder ehrlich und authentisch kommunizieren, um tiefe Veränderungen zu ermöglichen.


**Schlüsselkonzepte aus „Encounter Groups“:**


1. **Authentizität**: Wahres Wachstum entsteht durch authentisches Verhalten, das bedeutet, dass wir unsere Masken fallen lassen und uns so zeigen, wie wir wirklich sind.


2. **Empathie und Akzeptanz**: Gegenseitige Empathie und bedingungslose positive Wertschätzung sind die Basis, um in einer Gruppe sicher zu wachsen.


3. **Selbstverantwortung**: Jeder übernimmt Verantwortung für seine eigenen Gefühle und Handlungen. Dies stärkt das Vertrauen in die Gruppe und den Einzelnen.


4. **Konflikte als Chance**: Spannungen oder Konflikte sollten nicht vermieden, sondern offen besprochen werden, da sie oft als Katalysator für persönliches Wachstum wirken.


5. **Tiefe Interaktion**: Rogers betont den Wert von tiefen, emotionalen Interaktionen im Gegensatz zu oberflächlichen Gesprächen, die zu echten Begegnungen führen.


Fazit: Verhaltenskodex und Encounter-Gruppen


Der von Rogers beschriebene Prozess zeigt, dass ein Verhaltenskodex als Leitlinie für **Respekt und Authentizität** in der Gruppe dienen kann. Die Prinzipien von Empathie und Akzeptanz, die in Encounter-Gruppen eine Rolle spielen, passen gut zu einem Verhaltenskodex, der Klarheit schafft und gleichzeitig Raum für tiefere Begegnungen bietet.


**Quellen**:


- Rogers, Carl R. **Encounter Groups**. Harper & Row, 1970.


- Rogers, Carl R. **On Becoming a Person**. Houghton Mifflin, 1961.


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