Inhalt: In diesem Blogartikel geht es um die wesentliche Veränderung des therapeutischen Ansatzes von einer problemzentrierten Sichtweise hin zur Ressourcenaktualisierung, speziell im Kontext von Gruppentherapie, Coaching und Supervision. Der Artikel basiert auf den Erkenntnissen von Peter F. Schmid und erläutert, wie sich diese Konzepte praktisch in der Gruppenarbeit umsetzen lassen.
Die Bedeutung der Gruppe für die persönliche Entwicklung
Gruppen sind ein wesentlicher Teil des menschlichen Lebens. Sie bieten eine Plattform für Austausch, Unterstützung und Veränderung. Nach der personzentrierten Theorie von Peter F. Schmid kann eine Gruppe als Schnittstelle zwischen der Persönlichkeit des Einzelnen und der Gesellschaft betrachtet werden. Sie ist damit der Ort, an dem sich sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Veränderungen abbilden können. Diese Dynamik birgt großes Potenzial für Wachstum, wenn sie sinnvoll genutzt wird.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Gruppe nicht als reines Mittel zur Problemlösung gesehen werden sollte, sondern als Raum, in dem vorhandene Ressourcen der Teilnehmer aktualisiert und gestärkt werden. Das bedeutet, der Fokus liegt nicht primär darauf, Probleme zu lösen, sondern die Fähigkeiten und Potenziale jedes Einzelnen herauszuarbeiten und weiterzuentwickeln.
Paradigmenwechsel: Von der Problemlösung zur Ressourcenaktualisierung
Der Übergang von einem problemzentrierten Ansatz zu einer ressourcenfokussierten Arbeitsweise bedeutet einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der therapeutischen Arbeit. Während problemzentrierte Ansätze oft von der Defizitanalyse ausgehen und einen Weg zur Problemlösung suchen, setzt die Ressourcenaktualisierung darauf, vorhandene Stärken bewusst zu machen und auszubauen. Der Fokus liegt hier auf der Entwicklung und dem Wachstum der Person, nicht auf der Korrektur von Fehlern.
Dieser Ansatz bedeutet für die Arbeit in Gruppen: Problemorientierung, Methodenfixierung und die strenge Zielfixierung sind kontraproduktiv. Vielmehr wird betont, dass die Kunst des "Nichtwissens" zentral ist – der Gruppenleiter agiert weniger als Wissender, sondern vielmehr als Facilitator, der den Gruppenprozess unterstützt, ohne ihn zu lenken.
Rolle des Gruppenleiters: Facilitator statt Experte
In einer Gruppe, die nach dem Prinzip der Ressourcenaktualisierung arbeitet, ist die Rolle des Gruppenleiters die eines Facilitators. Der Facilitator unterstützt die Gruppenmitglieder dabei, ihre eigenen Ressourcen zu entdecken und zu nutzen. Authentizität, Empathie und bedingungsfreie Wertschätzung sind die grundlegenden Qualitäten, die der Gruppenleiter verkörpern sollte.
Die Aufgabe des Leiters besteht darin, keine festen Methoden oder Techniken vorzugeben. Vielmehr geht es darum, einen Raum zu schaffen, in dem Begegnung und Präsenz im Mittelpunkt stehen. Der Dialog innerhalb der Gruppe sollte herrschaftsfrei und als interpersonales Spiel verstanden werden – regelfrei, offen und voller Möglichkeiten für authentische Begegnungen.
Praktische Umsetzung: Anleitung für Gruppenarbeit zur Ressourcenaktualisierung
Damit Gruppenprozesse erfolgreich zur Ressourcenaktualisierung beitragen können, sind bestimmte Rahmenbedingungen und Übungen hilfreich. Im Folgenden eine detaillierte Anleitung, die als praxisnahe Arbeitsunterlage für die Gruppenarbeit genutzt werden kann.
1. Gruppenphase: Wahrnehmung und Anerkennung
Ziel: Die authentische Begegnung und der persönliche Austausch sollen gefördert werden.
Ablauf: Zu Beginn der Sitzung teilt jedes Gruppenmitglied eine positive Eigenschaft oder Fähigkeit, die es in sich selbst sieht. Anschließend geben die anderen Teilnehmer Feedback und bestätigen diese Eigenschaft durch eigene Beobachtungen.
Leiteraufgabe: Der Gruppenleiter sollte sich zurücknehmen und den Fokus auf die Gruppenmitglieder lenken. Weder Lob noch Korrekturen sind hier gefragt, sondern die wertscharfe Verstärkung dessen, was authentisch von den Mitgliedern kommt.
2. Gruppenphase: Empathische Resonanz
Ziel: Die Fähigkeit zur empathischen Resonanz innerhalb der Gruppe zu fördern und auszubauen.
Ablauf: Ein Gruppenmitglied teilt eine aktuelle Herausforderung, ohne eine Lösung zu erwarten. Die anderen Mitglieder spiegeln wider, was sie gehört und gefühlt haben, ohne Ratschläge zu geben oder zu bewerten.
Leiteraufgabe: Der Gruppenleiter sorgt für eine wertschätzende Atmosphäre, in der das Erzählen und Gehörtwerden im Vordergrund stehen. Eingreifen ist hier nur dann notwendig, wenn sich der Austausch in eine bewertende Richtung entwickelt.
3. Gruppenphase: Ressourcenfindung im herrschaftsfreien Dialog
Ziel: Die Ressourcen der Teilnehmer sollen innerhalb eines freien, offenen Dialogs entdeckt und weiterentwickelt werden.
Ablauf: Die Gruppe wählt gemeinsam ein Thema aus, das für alle relevant ist. Es findet ein Dialog statt, in dem jedes Gruppenmitglied seine Gedanken und Gefühle frei äußert, ohne festen Regeln zu folgen.
Leiteraufgabe: Der Leiter bleibt im "Nichtwissen", begleitet den Prozess jedoch aufmerksam. Sein Ziel ist es, Vertrauen zu schaffen und den Dialog in einer offenen, akzeptierenden Weise zu fördern.
4. Abschlussrunde: Aktualisierung und Transfer
Ziel: Den Transfer von Gruppenerfahrungen auf das individuelle Leben der Teilnehmer zu ermöglichen.
Ablauf: Jedes Gruppenmitglied formuliert, welche Ressource es durch die heutige Sitzung in sich entdeckt oder gestärkt hat. Es wird erarbeitet, wie diese Ressource im Alltag genutzt werden kann.
Leiteraufgabe: Die Aufgabe des Leiters ist es, Reflexion anzuregen, aber nicht zu lenken. Der Transferprozess bleibt in der Verantwortung der einzelnen Gruppenmitglieder.
Zusammenfassung: Der Wert von Gruppenarbeit für die Ressourcenaktualisierung
Gruppenarbeit bietet einen einzigartigen Rahmen, um persönliche Ressourcen zu entdecken und weiterzuentwickeln. Die Gruppe ist ein Lernfeld für Autonomie und Solidarität, in dem die Teilnehmer sowohl ihre individuelle Stärke als auch die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen erfahren können. Anstatt Probleme zu lösen, geht es in der Ressourcenaktualisierung darum, vorhandene Potenziale zu aktivieren und weiterzuentwickeln. Die Rolle des Gruppenleiters ist dabei die des Facilitators – er ermöglicht den Raum für Begegnung, Empathie und persönliches Wachstum.