Wenn Beziehung zur Belastung wird – ein realer Fall für die Lebensberater:innen-Ausbildung
- Thomas Laggner
- vor 4 Tagen
- 9 Min. Lesezeit
🧩 Beispiel-Dialog: Eskalation bei verdecktem Loyalitätskonflikt und polyamorer Grenzverletzung
Therapeut (T):Wie geht es euch beiden heute mit dem, was beim letzten Mal zur Sprache kam?
Klientin (K1):Ehrlich gesagt – ich bin überfordert. Ich erfahre ständig neue Dinge aus der Vergangenheit, von denen ich nichts wusste. Fünf Jahre Affäre. Samenspenden. Treffen mit anderen Frauen. Und dann erwartet er Nähe.
Klient (K2):Weil ich Nähe brauche. Weil ich mich seit Jahren verbiege. Fünf Tage die Woche in der Stadt, obwohl ich weiß, dass mich das krank macht. Ich hab mich selbst verloren – nur für die Familie.
T:Was ich höre: Zwei erschöpfte Menschen, die gleichzeitig Nähe suchen und sich voneinander bedroht fühlen.Was ist das Verletzendste in diesem Moment?
K1:Dass ich das Gefühl habe, ich bin schuld, dass alles so ist. Dass ich nicht gereicht habe. Dass ich Grenzen gesetzt habe – und dass die übergangen wurden.
K2:Dass meine Bedürfnisse nie Platz hatten. Ich hab alles vorgeschlagen: Land, Haus, Umzug – nichts war jemals gut genug.
T:Wenn ihr euch gegenseitig als "Verhinderer" erlebt – was bedeutet das für eure Beziehung heute?
K1:Dass ich mich emotional zurückgezogen habe. Ich kann keine Partnerin mehr sein. Nur noch Mutter. Und selbst das kostet mich Kraft.
K2:Ich will nicht nur Vater sein. Ich will ein Leben, das auch für mich Sinn ergibt. Und wenn das mit ihr nicht geht, dann will ich es wenigstens offen sagen dürfen.
T:Was würdet ihr euch vom jeweils anderen wünschen – nicht als Forderung, sondern als Wunsch?
K1:Dass er Verantwortung übernimmt. Für sich. Für das, was war. Und dass er erkennt, was das alles mit mir gemacht hat.
K2:Dass sie sieht, wie viel ich geopfert habe. Und dass sie mir nicht ständig Schuld zuschiebt für ein System, das wir beide gebaut haben.
💬 Reflexion für Ausbildung und Supervision
Themen: Geschlechterrollen, unbewusste Schuldverschiebung, emotionale Triangulierung (Ex-Partner:innen), Loyalitätskonflikte, Werte-Konflikte Stadt vs. Land.
Therapeutische Herausforderung: Raum für Differenz schaffen ohne Schuldzuschreibung – die inneren Landkarten der Beteiligten sichtbar machen.
Intervention: Verlangsamung des Eskalationsmusters, Kontrastierung von Bedürfnis vs. Verhalten, Einladung zur persönlichen Verantwortung ohne Schuld.
📖 Einblick in eine Fallgeschichte
Clara und Markus – ein Elternpaar mit drei Kindern – stehen am Wendepunkt ihrer langjährigen Beziehung. Die Liebe ist nicht einfach verschwunden, aber sie wurde überlagert: von Enttäuschung, Rollenüberforderung, stiller Kränkung, und nicht zuletzt von einer dritten Person, die Besitzansprüche an Markus stellte – emotional wie auch räumlich.
Markus lebt innerlich längst auf dem Land – sein Rückzugsort in Grenzberg ist für ihn Identität, Autonomie und Selbstwirksamkeit. Clara hingegen braucht die gewohnte Struktur von Stadtburg, soziale Sicherheit, und einen Alltag, der trotz Dreifachbelastung funktioniert.
Dazwischen: Kinder, Konflikte, unerhörte Bedürfnisse. Und eine tiefe Sprachlosigkeit, die immer wieder in Eskalation umschlägt.
🧠 Was macht diesen Fall so relevant für unsere Ausbildung?
1. Realitätsnah & komplex
Die Themen, die hier ineinandergreifen, begegnen uns in der Praxis regelmäßig:
Co-Elternschaft in Trennung
Unverarbeitete Verletzungen
Fehlende Anerkennung & Identitätskonflikte
Konkurrenz zwischen emotionalen Bedürfnissen & praktischen Lebensanforderungen
2. Ein Beispiel für verdeckte Beziehungsdynamiken
Oberflächlich wird um Orte, Geld und Kinderbetreuung gestritten. Doch auf tieferer Ebene geht es um etwas ganz anderes:
Wer sieht mich wirklich?
Wer darf bestimmen?
Wer trägt die Verantwortung?
🛠 Beratungsimpulse für Lebens- und Sozialberater:innen
🔍 1. Rollenklarheit schaffen
In jedem Gespräch mit Paaren oder Elternteilen stellt sich die Frage:
In welcher Rolle spreche ich gerade – als Partner:in, Elternteil, verletzter Mensch, oder Anwalt der eigenen Vergangenheit?
Diese Unterscheidung hilft, aus der Eskalationsspirale auszusteigen.
💬 2. Sprache als Schlüssel zur Beziehung
In dem Originalgespräch (anonymisiert) finden sich immer wieder Formulierungen wie:
„Du hast mir meine Entscheidung genommen.“
„Ich habe alles für euch gegeben.“
„Ich bin nicht mehr deine Partnerin – ich bin nur noch deine Verwalterin.“
Solche Aussagen sind Gold wert. Sie zeigen, wo Schmerz sitzt – und wo die Beratung ansetzen kann.
🧭 3. Zukunft denken – trotz Gegenwartsdruck
Clara formuliert schließlich:
„Ich kann das für die Familie ausprobieren – drei Tage die Woche in Talheim. Aber ich will mich gerade nicht mehr als Partnerin sehen.“
Markus daraufhin:
„Wenn du mir den Sex verweigerst, ist es für mich vorbei.“
Diese Aussagen zeigen, wie unterschiedlich beide die Realität erleben – und dass ohne neue innere Landkarten kein gemeinsamer Weg möglich ist.
🧠 Psychodynamische Aspekte:
Ebene | Markus | Clara |
Bindung | Ambivalent – will Nähe, aber mit Raum für sich | Unsicher – sucht Sicherheit & Exklusivität |
Autonomie | Stark ausgeprägt, will entscheiden & gestalten | Teilweise unterdrückt – lebt primär für die Kinder |
Verletzungen | Übersehen, emotional entwertet | Betrogen, emotional im Stich gelassen |
Strategie | Rückzug, Argumentation, Projektion | Eskalation, Rückzug, Selbstschutz |
Die psychodynamische Analyse hilft uns, die sichtbaren Konflikte hinter den Worten als Ausdruck innerer seelischer Bewegungen zu verstehen. Was vordergründig als Alltagsstreit erscheint, ist häufig Ausdruck tiefer liegender Konflikte, ungelöster Entwicklungsaufgaben und unbewusster Beziehungswiederholungen.

🧠 Was bedeutet Psychodynamik?
Der Begriff Psychodynamik beschreibt die inneren Kräfte, Konflikte und Bewegungen in der Psyche eines Menschen – besonders in Bezug auf unbewusste Motive, emotionale Grundkonflikte und die Art, wie sich diese in Beziehungen zeigen.
Der Begriff stammt ursprünglich aus der Tiefenpsychologie, wurde von Sigmund Freud geprägt und später von vielen wie C.G. Jung, Alfred Adler, Melanie Klein oder in der heutigen Zeit von Kernberg, Horowitz, Mentzosweiterentwickelt.
🎭 Zentral geht es um:
Innere Konflikte (z. B. zwischen Wunsch nach Nähe und Angst vor Abhängigkeit)
Verdrängte Erfahrungen und die daraus entstandenen Schutzmechanismen
Wiederholungszwänge – wir suchen oft unbewusst Situationen auf, die alten Mustern ähneln
Übertragungen – Gefühle und Erwartungen aus früheren Beziehungen, die auf aktuelle Personen projiziert werden (oft auf den Partner, die Partnerin oder auch den Therapeuten)
Abwehrmechanismen – z. B. Rationalisierung, Projektion, Idealisierung oder Spaltung, um innere Spannungen zu regulieren
📚 Die Psychodynamik sichtbar machen heißt:
Worum geht es „eigentlich“? Hinter dem Streit um den Wohnort verbirgt sich vielleicht ein uraltes Gefühl von „nicht gesehen werden“.
Welche inneren Konflikte kämpfen mit- oder gegeneinander?
Welche Dynamiken werden in der Beziehung re-inszeniert? (oft unbewusst!)
🔍 1. Bindung & Autonomie – das zentrale Spannungsfeld
Clara
Sucht emotionale Sicherheit, Kontinuität und Zugehörigkeit
Ihre Bindung ist ängstlich-ambivalent: Sie klammert in Momenten von Unsicherheit und sehnt sich zugleich nach Rückzug und Schutz
Hat große Angst vor dem Alleinsein – will aber nicht in symbiotische Abhängigkeit geraten
Erlebt Autonomiebestrebungen von Markus als Beziehungsverlust
Markus
Sein Bindungsstil ist vermeidend-distanzierend: Nähe löst bei ihm schnell den Impuls aus, „sich retten zu müssen“
Er flüchtet vor Enge, übernimmt zwar Verantwortung, aber oft widerwillig
Autonomie ist für ihn existenziell – er hat das Gefühl, sonst „nicht mehr er selbst“ zu sein
Die Nähe in der Familie wird als Vereinnahmung erlebt
🔄 Dynamik: Beide aktivieren sich gegenseitig: Claras Klammern erzeugt Rückzug bei Markus – sein Rückzug verstärkt wiederum Claras Bedürfnis nach Nähe.
💔 2. Urverletzungen & emotionale Altlasten
Beide tragen unaufgearbeitete Altverletzungen mit sich – sowohl aus ihrer Beziehung als auch aus früheren Bindungserfahrungen:
Clara
Erlebte, dass zentrale Werte (Treue, Ehrlichkeit) gebrochen wurden
Wurde in ihrer Intuition über Jahre getäuscht – das erzeugt Kontrollbedürfnis
Tiefsitzende Angst, ersetzt oder „austauschbar“ zu sein
Trigger: neue Affären, Doppelleben, Geheimnisse
Markus
Erlebt sich als chronisch missverstanden und ungesehen
Trägt alte Schuld- und Überforderungsthemen aus früheren Beziehungen und familiären Prägungen
Projektion der „fordernden Mutterrolle“ auf Clara – reagiert dann mit Trotz, Rückzug oder kindlichem Widerstand
🧠 Folge: Beide agieren aus ihren inneren „Kind-Anteilen“, sobald das Beziehungssystem unter Stress gerät. Reifere, erwachsene Kommunikation wird dadurch blockiert.
🌪️ 3. Übertragung & Gegenübertragung
Markus überträgt auf Clara:
Kontrolle, emotionale Erpressung, strukturelle Macht (Stadtwohnung, Kinder)
das Gefühl, sich selbst aufgeben zu müssen
Clara überträgt auf Markus:
das Bild des unzuverlässigen Vaters, des Untreuen
das Gefühl, allein gelassen und nicht beschützt zu werden
Beide reagieren in der Gegenübertragung mit Abwehr:
Clara durch moralische Vorwürfe, emotionale Rückzüge
Markus durch ironische Distanz, intellektuelle Rechtfertigung, Flucht in Autonomie
🔒 4. Macht, Besitz & symbolische Räume
Ein zentrales psychodynamisches Element in dieser Fallgeschichte sind Orte als Symbole für Macht und Identität:
Die Stadtwohnung steht für Claras Herkunft, Sicherheit und familiäre Prägung. Sie verteidigt sie auch stellvertretend für ihre Elternrolle.
Das Haus in Grenzberg ist für Markus kein Ort, sondern eine psychische Rettungsinsel – sein „Ich-Raum“, den niemand angreifen darf.
Der Streit um Möbel, E-Mails, Weinflaschen ist symbolisch – hier wird auf der Sachebene verhandelt, was auf der Bindungsebene nicht ausgesprochen werden kann:„Darf ich Raum haben – oder ist alles schon vereinnahmt?“
💥 5. Sex, Treue & narzisstische Kränkung
Sexualität wird in dieser Beziehung zunehmend zum Kampfplatz:
Markus empfindet die sexuelle Beziehung als Bestätigung seines Selbstwertes. Verweigerung bedeutet für ihn narzisstische Kränkung.
Clara kann nach dem Vertrauensbruch keine sexuelle Nähe mehr zulassen, ohne sich selbst zu verraten.
🧩 Psychodynamik: Beide erleben den Körper der/des anderen nicht mehr als Ort von Intimität, sondern als Ort der Machtverhandlung.
🧘 Fazit:
Diese Beziehung ist nicht nur in einer Kommunikationskrise, sondern in einem psychodynamischen Verstrickungssystem, das über Jahre aufgebaut wurde.
Ein mögliches Ziel in der Beratung wäre nicht sofort die Lösung – sondern:
das gemeinsame Verstehen der eigenen Muster
die Wiederherstellung einer inneren Autonomie
die Etablierung einer neuen Art des Zuhörens
🌿 Impuls für Ausbildungsteilnehmer:innen:
„In welcher inneren Rolle höre ich gerade zu – als Retter, als Richter oder als Resonanzraum?“„Und wo in meinem eigenen Leben kenne ich ähnliche Dynamiken?“
🧩 Reflexionsfragen für die Ausbildung
Was sind die verdeckten Grundbedürfnisse hinter den Vorwürfen?
Wo liegen mögliche Musterunterbrechungen?
Welche systemischen Loyalitäten könnten hier wirken?
Wie kann eine beratende Haltung aussehen, die Klarheit und Mitgefühl verbindet?
THERAPIEPLAN: Session-by-Session-Ausarbeitung (10 Sitzungen)
Phase 1: Stabilisierung & Strukturierung
Sitzung 1: Zielklärung & Kontrakt
Ziel: Gemeinsames therapeutisches Arbeitsbündnis schaffen
Inhalte:
Was soll sich konkret verändern?
Beziehung vs. Elternschaft: Wer will was?
Methoden:
Genogramm über 3 Generationen (Beziehungsmuster sichtbar machen)
Zielcollage: "Wo wollen wir in 6 Monaten stehen?"
Hausaufgabe: Beide formulieren je 3 erreichbare Ziele
Sitzung 2: Konfliktchronologie
Ziel: Gemeinsame Konfliktgeschichte externalisieren
Inhalte:
Welche Eskalationsmuster wiederholen sich?
Was sind "Trigger"?
Methoden:
Zeitstrahl "Unsere Krisen"
Symbolarbeit: Jeder wählt 3 Symbole für Krisenphasen
Hausaufgabe: Jeder notiert typische Eskalationssätze + Gegenreaktionen
Sitzung 3: Kommunikationsmuster entschlüsseln
Ziel: Entschärfen von Dialogmustern
Inhalte:
Wie kommunizieren wir in Stressmomenten?
Methoden:
Videoanalyse (wenn möglich)
GFK-Training: "Wenn du... dann fühle ich... weil..."
Hausaufgabe: Eine Woche lang Gesprächsprotokolle mit Fokus auf Auslöser
Phase 2: Emotionale Verarbeitung
Sitzung 4: Verletzungen & Schuldverteilung
Ziel: Raum für wechselseitige emotionale Verletzung schaffen
Inhalte:
Was hat am meisten geschmerzt?
Methoden:
Empty Chair (Angela / Roman / "Vergangenheits-Ich")
Aktives Zuhören in Rollenwechsel
Hausaufgabe: Brief an den Partner über eine unverheilte Wunde
Sitzung 5: Selbstwert & Rollenidentität
Ziel: Wer bin ich außerhalb der Beziehung?
Inhalte:
Rollen: Eltern, Partner, Individuum, Kind der Eltern
Methoden:
Rollenkarten & Systembrett
Personzentrierte Reflexion (nach Rogers)
Hausaufgabe: "Mein Ich ohne Beziehung" – kurze Skizze
Phase 3: Zukunftsplanung & Testszenarien
Sitzung 6: Pay-off-Matrix entwickeln
Ziel: Verstehbare Entscheidungsoptionen darstellen
Inhalte:
Was kostet/beeinträchtigt welche Entscheidung?
Methoden:
Visualisierung: Matrix auf Flipchart
Bewertung in Punkten: 1–5 für Wichtigkeit und Erreichbarkeit
Hausaufgabe: Bewertung der Optionen aus individueller Sicht
Sitzung 7: Wohn- und Beziehungsexperiment planen
Ziel: Klare Testphase aufstellen
Inhalte:
Rahmenbedingungen für das 3-Tage-Modell
Methoden:
SMART-Ziele
Kalender & Zuständigkeiten
Hausaufgabe: 14-Tage-Logbuch über das Wohnmodell führen
Sitzung 8: Elterliche Allianz stärken
Ziel: Zusammenarbeit als Eltern verbessern
Inhalte:
Was verbindet uns als Eltern?
Methoden:
Eltern-Visionsarbeit
"Was wollen wir unseren Kindern mitgeben?" (Plakatgestaltung)
Hausaufgabe: Jeder schreibt einen Brief an die Kinder aus Sicht des anderen Elternteils
Phase 4: Integration & Entscheidung
Sitzung 9: Reflexion der Testphase
Ziel: Erfahrungen evaluieren
Inhalte:
Was hat funktioniert? Was nicht?
Methoden:
Logbuchauswertung
Skalierungsfragen: "Auf einer Skala von 1–10, wie lebbar ist das Modell?"
Hausaufgabe: Entwurf eines alltagstauglichen Wochenplans für beide Szenarien (Trennung vs. Fortsetzung)
Sitzung 10: Abschluss oder neue Kontraktphase
Ziel: Entscheidung treffen und Umsetzung beginnen
Inhalte:
Entweder: Trennungsvereinbarung
Oder: Paarvertrag für neue Phase
Methoden:
Abschlussritual (z. B. Briefritual, Abschiedsalbum)
"Commitment Circle"
Hausaufgabe: Einzeltermine zur Begleitung in Einzellogiken (optional: Kindergruppe)
Dieser Plan ist flexibel anpassbar für gruppentherapeutische Settings oder hybride Modelle (Zoom + Vor-Ort). Zusätzlich können bei Bedarf Psychoedukation (z. B. über Hochkonflikttrennungen, Bindungstypen, Trauma) und rechtliche Beratungen eingebunden werden.
THERAPIEPLAN FÜR LEBENS- UND SOZIALBERATER:
Session-by-Session-Ausarbeitung (10 Sitzungen)
VORBEMERKUNG: Dieser Plan richtet sich an diplomierte Lebens- und Sozialberater:innen mit systemischem Schwerpunkt. Ziel ist die Strukturierung eines hochkonflikthaften Paarkontextes, der Elternschaft, Beziehung und individuelle Entwicklung betrifft. Die Methoden sind niederschwellig, ressourcenorientiert und praxisnah konzipiert.
Phase 1: Stabilisierung & Strukturierung
Sitzung 1: Zielklärung & Kontrakt
Ziel: Vertrauensbildung & Rahmenvereinbarung
Inhalte:
Auftragsklärung (Beziehung, Trennung, Elternschaft?)
Ziele sichtbar machen (Kurz- & Langfristig)
Methoden:
Lebensrad mit Fokus auf Beziehungsbereiche
Zielcollage auf Flipchart (6-Monats-Vision)
Beraterhinweis: Kontraktregeln festlegen: Gesprächsregeln, Deeskalationssignal, Zeitsplit für beide Partner
Sitzung 2: Konfliktgeschichte sichtbar machen
Ziel: Eskalationsmuster verstehen lernen
Methoden:
Zeitstrahl "Unsere Krisen" + Einfärbung (rot = Hochstress, grün = Entspannung)
Symboleinsatz für Konfliktphasen (z. B. Steine, Spielfiguren)
Beraterhinweis: Externalisierung fördert Entlastung – "Das Problem ist nicht die Person."
Sitzung 3: Kommunikationsmuster entschlüsseln
Ziel: Bewusstwerden der Gesprächsfallen
Methoden:
Gesprächsbeobachtung (Mitschrift durch Berater)
Einführung in Gewaltfreie Kommunikation (4 Schritte)
Übung: "Wenn du ..., dann f... ich ..., weil ..." + Bitte
Beraterhinweis: Modelliere aktives Zuhören – "Habe ich dich richtig verstanden ...?"
Phase 2: Emotionale Verarbeitung
Sitzung 4: Verletzungen benennen & anerkennen
Ziel: Emotionale Entlastung ermöglichen
Methoden:
Brief an den/die Partner: "Was ich nie sagen konnte"
Stuhlkreis mit leerem Stuhl (Angela, Roman, "damaliges Ich")
Beraterhinweis: Allparteilich bleiben – "Jede Seite hat eine Wahrheit."
Sitzung 5: Wer bin ich außerhalb der Beziehung?
Ziel: Ressourcen & Selbstbild stärken
Methoden:
Rollenmodell (Eltern, Partner:in, Ich, Kind)
Visionsarbeit: "Mein Ich ohne Beziehung"
Beraterhinweis: Selbstwirksamkeit durch Anerkennung fördern
Phase 3: Zukunft gestalten & Alltag planen
Sitzung 6: Entscheidungsoptionen sichtbar machen (Pay-off)
Ziel: Strukturierte Entscheidungsfindung
Methoden:
Pay-off-Matrix (Handlungsoptionen + Konsequenzen)
1–5 Punktebewertung: Wichtigkeit vs. Realisierbarkeit
Beraterhinweis: Entscheidung nicht erzwingen – Entwicklung zulassen
Sitzung 7: Alltagsexperiment aufsetzen (z. B. Wohnmodell)
Ziel: Vereinbarung auf Zeit mit realistischer Machbarkeit
Methoden:
SMART-Formulierung
Zuständigkeiten & Zeiten im Wochenplan visualisieren
Beraterhinweis: Auf emotionale Belastungsgrenzen hinweisen
Sitzung 8: Elterliche Allianz stärken
Ziel: Zusammenarbeit als Eltern aufbauen
Methoden:
"Was möchten wir unseren Kindern mitgeben?" (Plakat)
Elternvereinbarung entwerfen (Erziehung, Kommunikation, Notfälle)
Beraterhinweis: Kinderschutz im Auge behalten – ggf. Fachstellen einbinden
Phase 4: Integration & Entscheidung
Sitzung 9: Testphase reflektieren
Ziel: Evaluierung der Vereinbarung
Methoden:
Auswertung Logbuch oder Wochenreflexion
Skalierungsfragen ("Wie lebbar ist das Modell aktuell?")
Beraterhinweis: Raum für unterschiedliche Bewertungen halten
Sitzung 10: Entscheidung & Abschlussritual
Ziel: Entscheidung sichtbar und wirksam machen
Methoden:
Paarvertrag oder Trennungsvereinbarung (schriftlich & verbal)
Abschlussritual (Brief, Symbol, Handschlag)
Beraterhinweis: Bei Bedarf Begleitung fortsetzen oder Netzwerk vermitteln (z. B. Mediation, Erziehungsberatung)
Zusatztools für Lebens- und Sozialberater:innen:
Strukturkarten: "Was brauche ich, damit ich mich sicher fühle?"
Eskalationsampel (grün/orange/rot)
Eltern-Tagebuch (Gefühle, Reaktionen, Reflexion)
Kindgerechte Visualisierung: "So geht es mir heute" (Smileys, Farbkarte)
Hinweis zur Verantwortung: Dieser Plan ersetzt keine klinische Therapie bei schwerer psychischer Belastung, sondern dient als lebenspraktische Navigationshilfe in hochkomplexen Beziehungssituationen mit Beratungsschwerpunkt.
🧘 Fazit: Beziehungsarbeit ist Selbsterkenntnisarbeit
Wenn wir Menschen begleiten, die sich gegenseitig lieben, hassen, brauchen und meiden – dann betreten wir ein hochkomplexes Feld. Lebensberatung bedeutet, diesem Chaos nicht mit Rezepten, sondern mit Präsenz und Struktur zu begegnen.
Wir helfen nicht, indem wir die Lösung liefern – sondern indem wir Räume schaffen, in denen echte Begegnung wieder möglich wird.